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Andrea Seidler
Verwaltetes Wissen
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Ein elementarer Bestandteil der Wissenskultur des 17. und 18. Jahrhunderts war das
Sammeln und Systematisieren von Objekten zum Zweck der Wissensakkumulation.
Die gesammelten Objekte vielfältiger Provenienz konnten das Publikum allerdings
erst nachhaltig erreichen, nachdem spezifische Orte für deren Aufstellung geschaffen
worden waren: Bibliotheken, Museen, Galerien und Schauräume, ausgestattet mit
eigens für diese neue Kultur des Herzeigens geschaffenen Möbelstücken, Regalen und
Schaukästen. Die Wissenskultur des 18. Jahrhunderts war allerdings im Wesent lichen
durch das Buch geprägt, durch die sich verbreitende Kulturtechnik des Lesens, des
Schreibens, des Rezipierens und Reflektierens von oft spezifischen Inhalten. Die Welt
wurde in Büchern unterschiedlichster Ausrichtung repräsentiert. Im Zusammenhang
mit der Technik des systematischen Sammelns ist eine spezifische Form interessant,
das Sammeln von Wissen in gebündelter Weise in einem bestimmten, im 17. und
18. Jahrhundert erst aufkommenden medialen Format: dem der Zeitschrift bzw.
– eingeschränkter, in einer Sonderform – dem der sogenannten „Gelehrten Zeitschrift“.
Ein noch engeres Segment des Pressewesens des 18. Jahrhunderts passt genau in die
damals moderne Intention der Akkumulation und des Präsentierens: das Segment der
rezensierenden, kritisierenden Blätter, die sich gezielt an ein bestimmtes Publikum der
Aufklärungszeit, nämlich das „gelehrte Publikum“ wandten. Dieses Format steht in
unmittelbarer Verwandtschaft zu den im gleichen Zeitraum ungeheure Wirkungs-
macht erlangenden Enzyklopädien. „Nicht anders als Schränke in Kuriositäten-
kabinetten, Behältnisse in Archiven oder Regale in Bibliotheken haben Bücher als
Dispositive für Sammlungen gedient. Das Sammeln ist eine genuin enzyklopädische
Aufgabe und Voraussetzung jeder Wissenssynthese“, schreibt Ulrich Schneider.1 Es
geht in beiden Fällen, sowohl bei der Enzyklopädie wie auch bei der rezensierenden
gelehrten Zeitschrift, nicht nur darum, das Buch bzw. das Periodikum zu lesen, son-
dern es vor allem zu konsultieren.
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Ein kurzer Überblick über die Presseproduktion Wiens im 18. Jahrhundert soll zeigen,
von welcher zahlenmäßigen Größe wir überhaupt sprechen, wenn wir kritische
Periodika der Zeit analysieren wollen. In der 1989 erschienenen annotierten Biblio-
graphie des Zeitschriftenwesens der Städte Wien, Pressburg und Pest/Buda konnten
für den Zeitraum 1749 bis 1809 über 420 Zeitschriften bibliographisch nachgewiesen
1 Schneider 2008, 89.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur