Page - 206 - in Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
Image of the Page - 206 -
Text of the Page - 206 -
206 Thomas Wallnig
selbst Statistiker, am Ende des zweiten Bandes die Geburtsorte der genannten Schrift-
steller und Künstler grob nach Kronländern sortiert und somit eine räumlich geprägte
Lesart vorgibt (Graphik 3).12
In der Graphik gut erkennbar sind einerseits die großen urbanen und universitären
Zentren der Monarchie (Wien, Prag, Graz, Innsbruck, Freiburg), Verdichtungen zei-
gen sich auch in Oberösterreich, wo De Luca am Linzer Lyzeum tätig gewesen war,
ebenso im oberungarischen Bergdistrikt und in Siebenbürgen. Im Reich (außerhalb
der habsburgischen Länder) ist (konfessionell gemischt) Ober- und Mitteldeutschland
vertreten.
Dieses Bild entspricht der imperialen Inszenierung im Netzwerk (Abschnitt II).
Vor diesem Hintergrund erklärt sich eine bis heute markttaug
liche Perplexität darüber,
Wien als Teil der europäischen Gelehrtenwelt auffassen zu wollen.13
War Wien 1780 denn Teil der europäischen Gelehrtenrepublik, auch wenn diese
Dimension De Luca eben nicht oder bestenfalls sekundär interessierte und wenn wir
bis heute seiner Sichtweise zu folgen scheinen?
Die folgenden Betrachtungen versuchen, sich der Frage von Quellen her zu nähern,
die in ihrer Ausrichtung keine Intention zur gelehrsamkeitspolitischen Identitätsbil-
dung erkennen lassen. Es kann vorweggenommen werden, dass diese nicht in hinrei-
chendem Ausmaß und in zufriedenstellender Qualität verfügbar sind, um ein Gegen-
bild zu entwerfen. Das mag auch zum Teil die Prädominanz des wesentlich leichter
greifbaren „habsburgischen“ Bildes erklären.
12 Die Aufstellung findet sich bei De Luca 1778, 481–502. Es werden auch außerhalb der Habsburger-
monarchie geborene Schriftsteller berücksichtigt (503–506). – Pro territorialer Einheit findet sich
auch eine zahlenmäßige Aufstellung der Schriftsteller nach Stand bzw. Orden, die hier jedoch nicht
zur Auswertung herangezogen wurde.
13 Vgl. den Vortrag von Vittoria Feola (Oxford 2011), The Viennese Imperial Library and the Republic
of Letters; online: https://vimeo.com/35263146 [17.08.2020].
Graphik 3: Geographische Visualisierung von De Luca 1776/1778, Ausschnitt (Thomas Wallnig / Palladio)
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur