Page - 221 - in Schöne Wissenschaften - Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
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Die Zugänglichkeit der k. k. Hofsammlungen in Wien und das Publikum 221
Monaten“ zahlreiche weniger erwünschte Besucher die Nachmittage in der Galerie
verbringen: „Bürgerleute von den unteren Klassen, Handwerksburschen […] ja sogar
geringe Dienstmädchen mit Kindern auf den Armen.“31 Deshalb wurde an diesen
Tagen eine Schildwache aufgestellt.32 Anschließend wiederholt Kurzböcks Wegweiser
im Jahr 1797: „[…] nur muss der Eintritt ohne Stock und Degen, und mit gesäuberten
Schuhe geschehen. […] Auch die Kinder sind der Galerie gefährlich; weil sie manches
Mal mit schmutzigen Fingern die vortrefflichsten Stücke betasten. Wofür eine Schild-
wache sorgt, und die Nachlässigen oder Unwissenden erinnert. Bey schmutzigem
Wetter wird die Galerie nicht geöffnet.“ Und er ergänzt: „Junge Künstler erhalten sehr
leicht die Erlaubniß selbst gewählte Stücke zu copieren.“33
Aber auch mit den Künstlern, die seit 1773 Zugang zur Galerie hatten, als sich diese
noch in der Stallburg befand,34 wurde es auf Dauer ein Durcheinander. Aus diesem
Grund galten seit dem 1. November 1798 Einschränkungen für Akademieschüler, die
in der Galerie kopieren wollten. Sie mussten ein von ihrem Professor ausgestelltes
Zeugnis ihrer Fähigkeiten vorlegen, damit der Platz in der Galerie nicht von denjeni-
gen in Anspruch genommen werde, die, wie Kaiser Franz II. (I.) es ausdrückte, „nur
Zimmer und Schankhäuser ausmahlen gelernd haben“.35
Wir können somit schlussfolgern, dass auch bei der Gemäldegalerie zwischen (spä-
testens) 1779 und 1798 mehrere Regeln aufgestellt und Umstände geschaffen wurden,
um das Verhalten der Besucher zu lenken, dass jedoch der im Jahre 1777 gewährte freie
Zugang nicht beschränkt wurde, das heißt keine Maßnahmen ergriffen wurden, um
bestimmte Besucherkategorien fernzuhalten (Pflicht zur Voranmeldung, Eintritts-
karten usw.), wie es dagegen bei den Kabinetten der Fall war.
Man kann sich fragen, ob eine ideelle Absicht dahintersteckte, dass, um wieder mit
Füger zu sprechen, die „unbedingten freyen Einlasse in die Galerie“ im Gegensatz zu
den Kabinetten bis Anfang des 19. Jahrhunderts bestehen blieben.36 Mög licherweise
spielte der unterschied liche Standort eine Rolle; in politisch sensiblen Zeiten kann die
Auswahl des Zustroms ins Innere der Hofburg als wichtiger angesehen werden als in
das außerhalb der Stadt gelegene Belvedere, das seit 1774 sowieso schon ein öffent-
licher Spazierpark war.37
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Die nach 1765 in kurzer Zeit eingeführte allgemeine Zugänglichkeit der Wiener Hof-
sammlungen und die ungewohnte Situation, die diese bei den Kabinetts- und Galerie-
direktoren hervorrief, bewirkten so manche heftige Äußerung über die neuen
31 Hassmann 2015, 39, zit. Pezzl 1787, 3. Heft, 440–441.
32 Hassmann 2015, 39 und Anm. zu Dok. 218.
33 Schryen 2006, 493–494, zit. Kurzböck 1797, 168–169.
34 Zimmermann 1903, Nr. 19379; Meijers 1995, 63; Hassmann 2013, Dok. 18.
35 Hassmann 2015, 39–40 und Randnote 99, 100.
36 Wien, HHStA, OKäA, Akt Nr. 686 ex 1813; zit. nach Lhotsky 1941−1945, 488.
37 Hassmann 2013, Anm. zu Dok. 65. Vgl. auch unten Anm. 70.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur