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226 Debora J. Meijers
glänzenden Schaustücke“ gerne in einer symmetrischen Anordnung sehen würden.
Auch über die bildenden Künstler ist bislang nur indirekt etwas bekannt.
Bemerkenswert ist, dass „alle Künstler“58 gemeinsam mit „allen vom Handel- und
Bürgerstand beyderley Geschlechts“ vier Jahre früher Zugang zu den Kabinetten als
zur Bildergalerie erhalten haben. Letzteres erfolgte, wie bereits erwähnt, Anfang 1773
im Rahmen der Reorganisation der Akademie der bildenden Künste, die mit einem
eindring lichen Plädoyer einherging, die berühmte kaiser
liche Gemäldegalerie für das
Heranziehen neuer Talente nicht ungenutzt zu lassen.59 Seither hatten die Studenten
die Gelegenheit, Kunstwerke zu studieren und zu kopieren, auch nach der Verlegung
der Galerie in das Obere Belvedere im Jahr 1776. Obgleich diese Politik generell
begrüßt wurde, gab es auch mancherlei Bedenken gegen die Folgen (Andrang, Pfu-
scherei), wie die oben angeführten beschränkenden Maßnahmen, die ergriffen wurden,
zeigen.60
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Während sich bei den berufstätigen Personen der vorigen Kategorie wenigstens einige
indirekte Anzeichen für ihre mög
liche Nutzung der Hofsammlungen finden, fehlen
diese bei der letzten Kategorie völlig.61 Es scheint, dass die „geringen Leuthe“, wie sie
genannt wurden,62 sozusagen im Windschatten der vorigen Kategorie mitkamen. Was
faktisch über ihren Besuch dokumentiert ist, verhält sich umgekehrt proportional zu
der Menge äußerst stigmatisierender Anmerkungen über sie.
Wie wir oben bereits sahen, öffnete die gut gemeinte Maßnahme aus dem Jahre
1769 nach Ansicht des Direktors des Naturalienkabinetts Baillou lauter Nichtsnutzen
die Tür. Seine Charakterisierung dieser neuen Besucher erstaunt moderne Leser eini-
germaßen: Baillou sah vorrangig „des domestiques, des juifs, des garçons ouvriers
désœvrés, et des Filles lesquelles voyant du Bastion telle compagnie, viennent s’y
joindre“.63 Wie bereits erwähnt, sah die Kaiserin das allerdings ein wenig anders:
Baillous Antrag, von der allgemeinen Öffnung am Montagvormittag erlöst zu werden,64
willigte sie nur teilweise ein. Das Kabinett musste für jedermann zugänglich bleiben,
„jedoch wäre wenigstens bis der Catalogue fertig seyn wird [Kursivierung der Autorin],
58 Es ist anzunehmen, dass hier nicht ausschließlich die Hersteller der eben genannten Luxusgüter
gemeint waren, sondern auch bildende Künstler.
59 Zimmermann 1903, Nr. 19379.
60 Hassmann 2015, 39–40 und Randnote 99, 100: Seit 1798 mussten sie ein von ihrem Professor ausge-
stelltes Zeugnis ihrer Fähigkeiten vorlegen.
61 Eine Bemerkung von Pezzl in Bezug auf die Bildergalerie spricht dafür, dass diese Besucher in den
warmen Sommermonaten dort Abkühlung suchten. Pezzl 1787, 3. Heft, 440–441 (vgl. auch Anm. 31).
62 Stekl 1985, 291–292, warnt vor der Verwendung des modernen Terminus Unterschichten als Bezeich-
nung für die Glücklosen, die in den unteren Regionen der Gesellschaft gelandet waren; vgl. ferner Pils
/ Weigl 2003, 241–270.
63 Hassmann 2015, 68–69, Dok. 20, 1. Mai 1773. Vgl. für die Stellung der Juden zu Zeiten Maria
Theresias: Hödl 2003, 299–302.
64 Hassmann 2015, 68–69, Dok. 20 vom 1. Mai 1773.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur