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Martin Ferdinand Quadals Der Aktsaal der Wiener Akademie im St. Anna Gebäude 233
notwendige Kollegialität, Sittsamkeit und Gefügigkeit im Umgang mit Kritik.11 Es
ging dabei nicht nur um die moralische Erziehung einzelner Studierender, obwohl die
zahlreichen Fehden unter den Akademiemitgliedern auch dazu Anlass gegeben hätten,
sondern um die Objektivierung künstlerischer Qualität. In diesen akademienahen
Texten also tauchte das Bezugsphänomen der Aufklärung in der erwähnten mannigfal-
tigen Gestalt auf: als neue Form der Publizität und Kritik, als Wissensform und als
Ideal sozialer und moralischer Bildung.
II
In der Frage, ob die Kunst im Zuge der Aufklärung dem Wissen zuzuordnen sei (und
wenn ja, dann welcher Wissensform?), bezieht auch die Darstellung des Aktsaals der
Wiener Akademie im St. Anna Gebäude von Martin Ferdinand Quadal aus dem Jahr
1787 Stellung (Tafel
7). Dieses Gruppenporträt wird häufig im Kontext der Geschichte
der Wiener Akademie der bildenden Künste erwähnt, aber selten eingehend innerhalb
des Aufklärungsdiskurses thematisiert. Der 1736 geborene Quadal (oder Chvátal) war
ein mährischer Maler und Graphiker, der an der Wiener Akademie von 1758 bis 1762
bei Martin van Meytens studierte.12 Mit Unterstützung von Prinz Karl Alexander von
Lothringen und François Boucher, der eine wichtige Anlaufstelle für Neuankömm-
linge in Paris bot, wurde er 1767 an der Pariser Kunstakademie eingeschrieben13 und
stellte 1772, 1773 und 1787 bei deren Salons aus. In den Folgejahren bereiste Quadal
als vielseitiger Porträt-, Landschafts- und Genremaler zahlreiche Städte Europas und
scheint trotz rasch wechselnder Patronagen gut beschäftigt gewesen zu sein. Von 1771
bis 1773 war er in London, wo er an der Royal Academy ausstellte, und in York, 1779
in Dublin, 1783 in Rom und Florenz. 1784 traf er in Neapel auf seinen nächsten För-
derer Graf Anton Franz de Paula Lamberg-Sprinzenstein, den er porträtierte und nach
Wien begleitete. Dort war Quadal von 1786 bis 1790 tätig. Außer dem Aktsaal-
Gemälde befinden sich heute fünf seiner Genre- und Jagdszenen im Bestand der Aka-
demie; alle stammen aus der Schenkung Lamberg 1822 und dokumentieren die mehr-
jährige Verbindung des Malers zu seinem Förderer.14 Danach folgten wieder Reise-
jahre, die Quadal zurück nach England führten, wo er 1791 und 1793 bei der Royal
Academy und bei der Society of Artists of Great Britain ausstellte. Später reiste er nach
11 Sonnenfels 1786b. Vgl. dazu auch den Beitrag von Werner Telesko in diesem Band.
12 Die folgenden Angaben basieren auf dem Eintrag zu Quadal im Allgemeinen Künstlerlexikon / Inter-
nationale Künstlerdatenbank online: https://www.degruyter.com/view/AKL/_10163901 [04.10.2017]
und ergänzen ihn.
13 Dies ist in den „registres d’inscription“ der Académie royale de peinture et de sculpture von 1767
belegt; vgl. AK Boucher 1986, 80.
14 Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien: Bildnis Anton Graf Lamberg-Sprinzen-
stein (Inv.-Nr. GG-294); Zwei Doggen neben erlegtem Eber (Inv.-Nr. GG-354); Zwei Wildhunde
neben totem Wild (Inv.-Nr. GG-369); Löwengruppe (Inv.-Nr. GG-329) – dieses Gemälde wurde von
Dominique-Vivant Denon gestochen und im Pariser Salon von 1787 ausgestellt; Selbstbildnis (Inv.-
Nr. GG-336); Trnek 1989, 188–189.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur