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Martin Ferdinand Quadals Der Aktsaal der Wiener Akademie im St. Anna Gebäude 239
Kupferstecherschule Jacob Matthias Schmutzer auf Quadal. Wieder links daneben
modelliert der Professor für Skulptur, Franz Anton Zauner, ein Tonbozetto auf einer
Drehscheibe, beobachtet vom Direktor der Architekturschule Johann Ferdinand
Hetzendorf von Hohenberg. Es folgen, ganz in ihre Arbeit vertieft, der Bildhauer
Niklas Andreoni und der Schabkunstprofessor Johann Jacobé. Dazwischen sind zwei
Schüler dargestellt, die in der Legende namenlos bleiben (bezeichnet jeweils mit un
ecolier). Ein weiterer Schüler sitzt mit dem Rücken zum Betrachter knapp vor dem
Modell am linken Rand vor einer Dreiergruppe, die den Professor für Landschafts-
malerei Johann Christian Brand, den Lehrer für historische Zeichnungsgründe Hubert
Maurer und den Professor für Ornamente in der Architektur Vinzenz Fischer zeigt.32
Ganz in der Mitte posiert das Modell vor der Blendwand, über ihm eine große
Lampe, die die wichtigste Lichtquelle darstellt.33 Rechts davon sitzt ein weiterer Staf-
fageschüler vor einer Lampe; es folgt eine Dreiergruppe aus Franz Anton Maulbertsch,
Friedrich Oelenheinz und Anton Meidinger. Maulbertsch hält die Hand zur Abschir-
mung des Lichts vor die Augen, was den Fernblick des Freskomalers andeuten könnte,
zugleich aber auf ein frühes Selbstbildnis seines fast exakten Zeitgenossen, des dama-
ligen Londoner Akademiepräsidenten Joshua Reynolds, verweist34 und damit auf
ein selbstbewusstes, wissenschaftlich-wissendes Sehen, das über das reine Malen
hinausgeht.
Im rechten Bildvordergrund arbeitet der Direktor der Maler- und Bildhauerschule
Heinrich Friedrich Füger an einem Gemälde nach dem Aktmodell, neben ihm der
Professor für Historienmalerei Johann Baptist Lampi sowie, im verlorenen Profil, ein
Studierender, dessen Arbeit vom Professor für Anatomie Johann Martin Fischer am
rechten Bildrand kritisch betrachtet wird.
Mit Andreoni, Meidinger und Oelenheinz sind drei „schutzverwandte Maler“ dar-
gestellt, also nicht Mitglieder der Akademie, sondern Assoziierte, die von manchen
Freizügigkeitsprivilegien profitierten. Bei den (in der Nachzeichnung) als Schüler
bezeichneten Namenlosen könnte es sich um ebensolche handeln, oder aber um pro-
fessionelle Außenstehende, denen wie den Akademieangehörigen der Zeichenunter-
richt nach Antiken und nach dem lebenden Modell offenstand.
III
Was für eine Gruppe hat sich also hier versammelt? Es handelt sich nicht ausschließ-
lich um Akademiemitglieder, auch wenn die Komposition des Gruppenporträts die
akademische Rangordnung weitgehend beachtet. Die Darstellung greift den engli-
schen Porträttypus des Conversation Piece auf, das – unabhängig von Stand und Status
32 Zu den Dargestellten vgl. Hagen 2002, 36.
33 Nach den Gehaltslisten könnte es sich bei dem Modell um Lorenz Clar oder Matthäus Mayer han-
deln: UAAbKW, VA 1779, fol. 143. Vgl. Knofler 2000, 18 und 21, Anm. 66.
34 Joshua Reynolds, Selbstporträt, ca. 1748, Öl auf Leinwand, National Portrait Gallery, London, Inv.-
Nr. NPG 41.
Schöne Wissenschaften
Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Title
- Schöne Wissenschaften
- Subtitle
- Sammeln, Ordnen und Präsentieren im josephinischen Wien
- Author
- Nora Fischer
- Editor
- Anna Mader-Kratky
- Publisher
- Österreichische Akademie der Wissenschaften
- Location
- Wien
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7001-8642-7
- Size
- 20.9 x 29.3 cm
- Pages
- 306
- Category
- Kunst und Kultur