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Die Kita- und Schulschließungen in der COVID-19-Pandemie
95Steuerungsinstrumente
und Evidenzquellen im Vergleich DDS, 17. Beiheft (2021)
bekämpfung, aber auch der individuelle Gesundheitsschutz von – durch den Besuch
der Einrichtungen durch Infektionen bedrohten – Kindern und Familien. Bleiben
Ein richtungen trotz hoher Infektionszahlen geöff net, so steigen exkludierende
Tendenzen für Kinder aus Familien mit erhöhtem COVID-19-Risiko. Auf der an-
deren Seite steht die Sorge vor negativen Eff
ekten der Schließungen, z. B. mit Blick
auf Verein
barkeitskonfl
ikte, schlechte Ernährung von Kindern und Jugendlichen
durch den Wegfall (kostenloser) Mahlzeiten sowie wachsende soziale Bildungs-
ungleichheiten (Fickermann & Edelstein, 2020; OECD, 2020a; Hipp & Brünning,
2020). In Ab
wä gung unterschiedlicher Motive setzten die Länder unterschied liche
Modi der Wieder
öff nungen um, die ebenfalls ambivalent sind. So kann zwar die
Priorisierung einer Gruppe (z. B. „gefährdete Kinder“) durch einen ein- oder mehr-
wöchigen früheren Zugang zu Bildungseinrichtungen als „Fördermaßnahme“ ver-
standen werden. Sie kann jedoch gleichzeitig ein Stigmatisierungsrisiko tragen.
Wie sind die deutlichen Länderunterschiede mit Blick auf Kita- und Schul schlie-
ßungen zu erklären? Zwar ist davon auszugehen, dass die Inzidenzwerte und die
Auslastung der nationalen Gesundheitssysteme eine Rolle für die bildungs- und be-
treuungspolitischen Entscheidungen gespielt haben. Ein Blick in die Empirie zeigt
jedoch, dass die Höhe dieses „Problemdrucks“ die Entscheidungen keineswegs klar
determiniert hat. Inwiefern die Faktoren und Th
eorien, die in der Wohl fahrts staats-
forschung üblicherweise zur Erklärung von Länderunterschieden herangezogen wer-
den (z. B. unterschiedliche Parteien an der Regierung), unter den Bedingungen dieser
umfassenden pandemischen Krise „greifen“, ist zu prüfen. Die Forschung steht dabei
nicht nur mit Blick auf die unterschiedlichen Kita- und Schulschließungen, sondern
die Pandemiereaktionen insgesamt erst am Anfang. In jedem Fall deuten aber der
Blick in die Empirie und erste Befunde (z. B. Hudde & Nitsche, 2020) darauf hin, dass
Wohlfahrtsstaaten mit einem traditionell starken Fokus auf (Frauen-)Erwerbstätigkeit,
Gleichstellung und umfassende öff
entliche Betreuungsdienste bereits in der „ersten
Welle“ des Frühjahrs 2020 dazu tendierten, Kitas und/oder Schulen nicht zu schlie-
ßen (z. B. Island, Finnland, Schweden) oder früh wieder zu öff nen (z. B. Dänemark).
Mit der „zweiten Welle“ der Pandemie im Herbst 2020 fi
nden sich dann in eini-
gen Ländern (z. B. Slowenien) bereits Anfang November wieder vollständige Kita-
und Schulschließungen. In Deutschland und Österreich gab es zwar während des
Lockdowns im Herbst/Winter 2020 eine erneute Teilschließung der Kitas und
Schulen, diesmal allerdings mit Betreuungsanspruch für Eltern mit Bedarf (Der
Standard, 15.11.2020; Tagesschau, 2020). Dass der Zugang zur Notbetreuung dies-
mal am individuellen Bedarf ansetzte statt an festgelegten Kriterien, scheint einer in-
klusiveren Strategie für unterschiedliche Gruppen zu entsprechen (vgl. auch Blum,
2020), birgt aber die Gefahr eines individuellen Drucks auf Eltern, das Angebot
nicht zu nutzen – mit entsprechenden möglichen negativen Folgewirkungen. In ver-
gleichender Perspektive ist in Deutschland und einer Reihe anderer Länder zu be-
obachten, dass Kita- und Schulschließungen zwar nach wie vor als Bestandteil einer
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Schule während der Corona-Pandemie
Neue Ergebnisse und Überblick über ein dynamisches Forschungsfeld
- Title
- Schule während der Corona-Pandemie
- Subtitle
- Neue Ergebnisse und Überblick über ein dynamisches Forschungsfeld
- Author
- Detlef Fickermann
- Editor
- Benjamin Edelstein
- Publisher
- Waxmann Verlag
- Date
- 2021
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-8309-9331-5
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 236
- Keywords
- Schule, Unterricht, Covid-19, Gerechtigkeit, Bibliografie, Lehre, Pandemie, Bildung, Studien
- Categories
- Coronavirus
- Recht und Politik