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32 Das Ordnungsgeflecht in österreichischen Spitälern in der Frühen Neuzeit
guten Ruf der Institution Spital zu bewahren, um künftige Stiftungen anzuziehen, aber
auch, um Normen (Ordnungen und Statuten) implementieren und erfolgreich durchset-
zen zu können6.
In den spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen Spitälern lebten „Gebetsmenschen“ („be-
demen“, „bedewomen“)7, die laut den präskriptiven Ordnungen8 den Himmel zugunsten
der Stifter/innen mit ihren Lobpreisungen flächendeckend bombardieren sollten9. Statu-
ten, Ordnungen und Instruktionen, die sich textlich oft nur sehr langsam veränderten,
waren in Archiven wichtiges Sammelgut und wurden nachweisbar nicht nur in den Spi-
talarchiven, sondern vor allem auch in eigenen, von der jeweiligen Stadtverwaltung schon
in der Frühen Neuzeit gebildeten Archivfonds thematisch geordnet abgelegt. In diesem
auf die Nachwelt gekommenen Material finden sich überdies häufig Hinweise auf den
„bienensüße[n] Geruch der Misswirtschaft“10, den schon Geiler von Kaysersberg wahr-
zunehmen wusste.
Spitäler wirkten – im Gegensatz zu Leprosen-, Siechen- und Pesthäusern – als in-
tegrierende und multifunktionale Einrichtungen, die einerseits als Armenanstalten, als
nicht therapieorientierte frühe Krankenhäuser und als Findel-, Waisen- und Altersheime
fungierten und andererseits als Verwaltungs- und Versorgungsmittelpunkt der städtischen
Kranken- und Armenfürsorge dienen konnten11. Sie boten damit für die regionalen an-
erkannten (bürgerlichen) Armen gewissermaßen Schutz „von der Wiege bis zur Bahre“12.
Die Anzahl der Hausinsassen schwankte zwischen der klassischen Zahl zwölf in der
Nachfolge der Jünger Christi und konnte durchaus beachtliche 400 Personen umfassen,
im Territorium des heutigen Österreich sind allerdings meist Kleinstinstitutionen nach-
weisbar, die zeitweise nur zwei bis drei Frauen und Männern Herberge boten13. Spitäler
mittlerer Größe wiesen einen Wohn- und Schlafplatz für 20–30, bisweilen für bis zu 50
Menschen auf. In ihnen hielten sich teilweise „noch sehr lebenshungrige Personen un-
terschiedlicher Herkunft“14 auf, wobei die vorgegebene Struktur „durch eine bestimmte
Ordnung wie ein Organismus intakt gehalten werden“15 musste. Der Eintritt in die An-
stalt bedeutete eine Einschränkung des persönlichen Handlungsspielraumes, da die/der
aufgenommene Frau/Mann (bzw. das aufgenommene Kind) nunmehr der Spitalgemein-
schaft angehörte und der Alltag einem strengen Reglement unterlag. Die überlieferten
Ordnungen spiegeln jedoch nicht die Realität, sondern vielmehr Wunschvorstellungen
des gemeinschaftlichen christlichen Zusammenlebens im Sinne der obrigkeitlich-mora-
lischen Wertvorstellungen. Mit dem „Ort der Verwahrung“ und der darin zu leistenden
Arbeit verbindet sich jedoch in der Wissenschaft beinahe reflexartig die Vorstellung des
tatsächlich reglementierten und disziplinierten Tagesablaufs bis zum Zeitpunkt des Aus-
tritts, der (unfreiwilligen) Entlassung oder des Todes. Darüber hinaus stellt sich ferner
6 Frank, Hospitalreformen 118, 126.
7 Behrens, Zum Stifterwillen 288.
8 Vgl. dazu ausführlich Kapitel 3.
9 Behrens, Zum Stifterwillen 282, 289.
10 Scheutz, Bürgerliche Argusaugen 319, 334 (Zitat).
11 Scheutz–Weiss, Spitäler 190; Kinzelbach, Armut und Kranksein 165–174, Dies., Gesundblei-
ben 319–389; Hansen, Almosenordnungen 271–280.
12 Ströbele, „Spittal“ 94.
13 Weiss, Hund 182f.
14 Knefelkamp, Städtisches Spital 59.
15 Ebd.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin