Page - 35 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
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1. Spitäler in der Vormoderne – ein knapper Überblick 35
wurde dadurch Rechnung getragen, dass fast alle diese Häuser weitum sichtbar mit einem
Kirchenraum – die Verbindung von Spital und Sakralarchitektur galt seit dem Mittelalter
als unauflöslich33 –, zusätzlich in den katholischen Territorien meist im Freien mit Opfer-
stöcken versehen waren, z. B. in der Nähe des Eingangstores, am Weg- oder Straßenrand
oder direkt angebunden an die Spitalkirche oder -kapelle. Die Gebäude waren eindrucks-
voll bemalt mit christlichen Motiven und mit dem Kreuz Christi versehen.
Gebeten und Essen kam tages- und wochenstrukturierende Bedeutung in den Ord-
nungen zu und die Spitalbewohner/innen mussten im Sommer bereits sehr früh, um 4
Uhr 30, im Winter eine Stunde später, aufstehen34, woran aber die ehemals arbeitende
(klein)städtische Bevölkerung ohnedies gewöhnt war. Sofort nach dem Aufstehen und
dem Ankleiden sollte in der Kirche, in der Kapelle oder zumindest in der Winterstube
Gott vor die beschüzung dieser verflossener nacht35 angerufen werden, anschließend besuch-
ten die Armen und Behinderten36 die Messe und die Schwerkranken hörten zumindest
von ihrem Bett aus den Gottesdienst. So konnten beispielsweise in der im Herzogtum
Kärnten gelegenen Stadt Bleiburg die Siechen vom Krankenzimmer zwar nicht direkt auf
den Altar blicken, aber durch ein Fenster der angebauten Kapelle zumindest das beruhi-
gende Gemurmel der täglich wiederkehrenden Gebete hören, das sie bis zum Tod beglei-
tete37. Die oft bereits todkranken Frauen und Männer blieben nicht alleine, sie hatten
die Pflege ihrer Mitinsassen/innen „dankbar“ anzunehmen und durften weniger mit me-
dizinischer Kompetenz als vielmehr mit letzter menschlicher Zuwendung rechnen38. In
diesem Zusammenhang kann sogar mit früher Sterbebegleitung argumentiert werden39.
Die „Macht der Barmherzigkeit“40, die in Spitälern baulich und performativ anschau-
lich vorgezeigt wurde, folgte einem durchdachten Konzept: Macht verband sich tatsächlich
mit Caritas. Das Haus ließ seiner Klientel in der Regel die benötigte Nahrung, Kleidung
und Unterkunft durch den Spitalverwalter bzw. den Spitalmeister zur Verfügung stellen,
verlangte dafür jedoch die Aufgabe des persönlichen Lebensstils. Der Bewegungsfreiheit der
Insassen war lediglich innerhalb der Anstalt einigermaßen uneingeschränkt. Je nach Größe
des Hauses konnten sie sich „wie in einer kleinen Stadt oder einem Dorf bewegen, vor allem
um ihren Arbeiten in Küche, Werkstatt oder Garten nachzugehen oder den Gottesdienst zu
besuchen. Nach außen hin herrschte zumeist eine Art von Klausur, die für Armeneinrich-
tungen noch bis in das 20. Jahrhundert hinein nachweisbar ist, jedoch weniger strikt als in
Klöstern war“41. Ausgangsgenehmigungen (bisweilen in der Form von Blechmarken überlie-
fert) zur Disziplinierung der bisweilen (aggressiven) Armut, aber auch Arbeitsverrichtungen
außerhalb des eigentlichen Spitalbezirks, ebenso wie gelegentliche Besucher, Händler und
Handwerker, die in die Anstalt kamen, erzeugten offenbar eine Form von (unerwünsch-
33 Scheutz–Weiss, Spitäler 227f.
34 Als Beispiel: StLA, Sammlung gerahmte Bilder, Seckauer Spitalordnung (Papierhandschrift),
Seckau, sine dato [ca. Mitte des 18. Jahrhunderts], Die ordnung deren in spittall sich befinden, sowohl manns alß
weibs-persohn, Punkt 1.
35 Ebd.
36 Vgl. Vanja, Vom Hospital zum betreuten Wohnen 79–100.
37 KLA, Milde Stiftungen I, Sch. 71, Fasz. 931, Nr. 30, sine dato [1766 November] (Bauplan des
Bürgerspitals in Bleiburg, Krankenzimmer Nr. 8, Kapelle Nr. 21).
38 Weiss–Kramml, Das Bürgerspital 89.
39 Dirmeier, Hospitalanlagen in der Stadt 54.
40 Vgl. Schmauder, Macht.
41 Vanja, Offene Fragen 28.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin