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38 Das Ordnungsgeflecht in österreichischen Spitälern in der Frühen Neuzeit
deln). Der von Schulze modellierte Begriff der Verrechtlichung meint den langfristigen
Prozess einer Unterstellung bzw. sogar Unterwerfung des wirtschaftlichen, politischen,
und gesellschaftlichen Handelns unter das lokale, territoriale und überterritoriale Recht
und die Rechtsprechung. Ehemalige Rechtssonderbereiche und Autonomiesektoren
werden ab dem 15. und 16. Jahrhundert – gegen schärfsten Widerstand61 – zunehmend
überregional geregelt. Gerade im Bereich der Verwaltung und der Verstetigung der Ver-
waltung kam der Normativität große Bedeutung zu. Ordnung wurde durch internatio-
nale Verträge62, durch Verschriftlichung von sozialen Differenzen vor Gericht63, durch
die Verschriftlichung der „guten Policey“64 und durch Institutionalisierung65 geschaffen.
Hof-66, Rats-, Kanzlei-, Rentamts-, Waldordnungen67 oder etwa Spitalordnungen und
Zuchthausordnungen68 wurden verstärkt, meist von gemischten Kommissionen aus-
gearbeitet, vermehrt an der „Fuge“ vom Spätmittelalter69 zur Frühen Neuzeit angelegt
und entwickelten sich zum verschriftlichten Standard des Verwaltungshandelns. Schrift
schuf ab dem Spätmittelalter in Zentraleuropa vermehrt Recht und Ordnung. Der Pro-
zess der Intensivierung der Gesetzgebung ist untrennbar mit der im Spätmittelalter und
dem 16. Jahrhundert stark aufkommenden Quellengattung der „Ordnungen“ verbun-
den, wo im Sinne der „guten Policey“ und des Gemeinwohls neue Normtexte mit ei-
nem „geradezu allumfassenden obrigkeitlichen Regelungs- und Verwaltungsanspruch“70,
aber auch punktuell geltende Ordnungen kreiert werden. „Ordnungsprobleme großer
Agglomerationen“71 (wie Städte, Zünfte etc.) entfalteten eine erste Gesetzgebungsphase72
im Spätmittelalter. Dieser Verschriftlichungs- und Rechtsetzungsphase von Ordnungen
im Spätmittelalter folgte – einem Periodisierungsvorschlag von Peter Blickle folgend –
eine reformatorische, mit „theologischem Überschuss“ (auf Grundlage der Reformatoren
unterschiedlicher Richtungen) formulierte Reichspolizeigesetzgebungsphase im 16. Jahr-
hundert. Diese territoriale Rechtsetzung ersetzte im Laufe der Frühen Neuzeit zuneh-
mend die regionale Rechtsetzung.
Ordnungsgemäßes Verwalten fand in der Frühen Neuzeit vor dem zunehmend
zwingenden Hintergrund einer „Verschränkung von Schriftlichkeit, Hierarchie und
institutioneller Komplexität“73 statt, wobei der Stadt als Rechtsraum neben der landes-
fürstlichen Verwaltung eine Vorreiterrolle zukam74. Städtische Ordnungen als umfang-
reiche schriftliche Textierung von Verwaltungshandeln, Rechtsgeboten und Fixierung
von gültigem Recht75 umfassen im Kräftefeld vom Stadtrat, Magistrat und Amtsträgern
61 Als Beispiel Die Stimme der ewigen Verlierer.
62 Vec, Intervention/Nichtintervention 135–160.
63 Stollberg-Rilinger, Rang vor Gericht 38–418.
64 Härter, Die Verwaltung 243–269.
65 Zur Institutionalisierung beispielsweise Melville, Brückenschlag; Melville–Rehberg, Dimensio-
nen institutioneller Macht.
66 Wührer–Scheutz, Zu Diensten.
67 Sonnlechner, Frühneuzeitliches Waldmanagement 175–197.
68 Siehe die immer noch nützliche Sammlung in: Zähmen und Bewahren 137–194.
69 Lackner, Die Entwicklung 395–406; Ders., Spätmittelalterliche Instruktionen 33–42.
70 Pauser, Landesfürstliche Gesetzgebung 221; Hofmann–Tschan, „Bergordnungen“ 257–267;
Sonnlechner, Waldordnungen 268–277.
71 Blickle, Das Alte Europa 236.
72 Dilcher, Die stadtbürgerliche Gesellschaft 93–114.
73 Hengerer, Instruktion 83.
74 Scheutz, Bürgerliche Argusaugen 299–335.
75 Als Beispiel Niederstätter, Bregenz 11–17.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin