Page - 59 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Image of the Page - 59 -
Text of the Page - 59 -
5. Inventare – Spitalinventare als Forschungsfeld 59
Am häufigsten lassen sich Nachlass- und Hinterlassenschaftsinventare, weiters Vormund-
schaftsinventare (etwa für unmündige Kinder) nachweisen, gefolgt in der Häufigkeit von
Inventaren im Kontext von Amts- und Güterbeschreibungen, Inventare bei Kauf/Ver-
kauf/Verpachtung oder etwa bei Konkursen.
Grundsätzlich kann man verschiedene Typen unterscheiden: Gesamt- versus Detail-
inventare, Übergabe-, Verkaufs-, Rauminventare versus klassifizierte Inventare, die thema-
tisch etwa nach Funktionen, nach Material- (Wertinventar) oder Sachtypen265 geordnet
sind. Die häufigste Inventargattung stellen seit dem Spätmittelalter die Nachlass- und
Hinterlassenschaftsinventare dar266, wo im Prinzip nach jedem Todfall durch eine Kom-
mission die immobile und mobile Habe einer Person, eines Bauernhofes bzw. einer Fami-
lie aufgeführt wurde. Diese serielle, von Ratsmitgliedern, Stadtschreibern oder Gerichts-
personal beim Gang durch das Haus/die Wohnung erstellte Quellengattung verzeichnet
eine Fülle von Einzelpositionen: landwirtschaftliches Gerät, Wohn- und Küchenmobiliar,
Bücher, Kleidung, Geld, Vieh, Saatgut oder Wein. Analysen der Wohnverhältnisse, der
sozialen Schichtung und Vermögensmuster, der Bildungsverhältnisse werden dadurch
möglich. Im Laufe der Frühen Neuzeit (vor allem ab dem 18. Jahrhundert) wurden diese
Inventare zunehmend umfangreicher, mancherorts entwickelte sich ein eigenes nach Klas-
sen geordnetes Schema der Inventarisierung heraus267. Die zweithäufigste Gattung der
Inventare stellen die als eine Art „Gedächtnisstütze“ angelegten, so genannten Überga-
beverzeichnisse dar, worunter Inventarisierungen im Kontext von Eheverträgen (Braut-
inventar), Vormundschaften, Konfiskationen, Pachtübergaben oder Nachfolgeantritten
fallen268. Die Mitgift der Braut, die an den Nachfolger bei „Pachtantritt“ bzw. beim Kauf
übergebenen (auch adeligen) Güter oder der Amtsantritt des Nachfolgers (etwa in Kauf-
läden, Fabriken oder im städtischen bzw. grundherrschaftlichen Bereich) wurden hier,
häufig unter Angabe der Preise, angeführt. Als dritthäufigste Gattung gelten die beim
freiwilligen bzw. unfreiwilligen Verkauf angefallenen Verkaufs- und Versteigerungsproto-
kolle269. Sowohl Arme als auch Personen ohne Nachkommen (wie Geistliche) kamen für
Nachlassverkäufe in Frage. Bei Zwangsverkäufen wurden meist zur Rechtssicherheit sogar
zwei parallele Inventare angelegt.
Grundsätzliche Quellenkritik lässt sich an der Textsorte Inventar bezüglich der Voll-
ständigkeit und der in der Quelle nicht extrapolierten Verzeichnungspraxis üben270: Die
Erschließungstiefe und die systematische Voll- bzw. Unvollständigkeit271 (etwa Verzeich-
nung von wandfestem Mobiliar oder Eigentum von Frauen/Kindern) sind meist unklar,
598, 602, 629, 649, 652, 659, 720f., 728, 731, 736, 739, 750f., 777, 798, 809f., 817, 819, 822f., 836, 838,
843, 850f., 894, 935, 944, 962, 997f., 1000f., 1003f., 1019, 1038, 1058, 1061, 1067f., 1086, 1088, 1096,
1097f., 1099, 1102, 1110f., 1114, 1121, 1126–1128. Am Beispiel von Waldinventaren Sonnlechner, Wald-
ordnungen 273.
265 Zu Braut-, Konfiskations-, Nachlass-, Revisions-, Wert- und Rauminventaren im adeligen Bereich
Bepler, Inventare lesen 14; Dies., Die Lektüre der Fürstin 201–227.
266 Löffler, Inventare 121f.; siehe auch Hauser, Dinge des Alltags 61–80 (Kapitel „Sachkulturana-
lyse“). Als Überblick auch Mohrmann, Archivalische Quelle 70–75.
267 Als Beispiel Pammer, Testamente 499.
268 Löffler, Inventare 127.
269 Ebd. 128.
270 Zusammenstellung Mohrmann, Alltagswelt 14–18; Dies., Archivalische Quellen zur Sachkultur
70–75.
271 Zur Unvollständigkeit (in der Personenerfassung) Knittler, Herrschaft und Gemeinde 381; als
Überblick Pöttler, 1 tuzet täller 266–269.
back to the
book Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1"
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin