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60 Das Ordnungsgeflecht in österreichischen Spitälern in der Frühen Neuzeit
die Taxierung der Güter (Schätzung des Werts nach welchen Gesichtspunkten), der feh-
lende Benutzungskontext, weiters die Genauigkeit der Verzeichnung, mitunter die ver-
wendeten Zähl- und Hohlmaße wie die Gewichts- und Längenangaben werden in den
Inventaren nicht (immer) deutlich. Lange Zeit ressortierte die Inventarforschung im
Bereich der Ethnologie272, während dieses Forschungsfeld in den letzten zwanzig Jahren
verstärkt auch im Bereich der Wirtschafts-, Rechts-, Sozial-, Bau- und Sachkulturfor-
schung, der Architekturgeschichte273, der mikrogeschichtlichen Protoindustrialisierungs-
forschung274 oder etwa der jeweiligen Philologie interdisziplinär aufgestellt erscheint275.
Auch quellenkundlich wurde die Quellengattung Inventar im Sinne der in den letzten
Jahren boomenden Mikrogeschichte verstärkt dialogisiert: Inventare werden im Kontext
von Testamenten, Bauplänen, Rechnungen, Briefen, Selbstzeugnissen, archäologischen
Befunden oder Reiseberichten erforscht276.
Ein auf der Grundlage publizierter Literatur angetretener Versuch, die Gattung Inven-
tar für den österreichischen Raum zu fassen, zeigt das nahezu ubiquitäre Auftreten der zur
Information und Kontrolle dienenden Inventaren ab dem Spätmittelalter. Im kirchlichen
Bereich liegen viele Inventare vor – die frühesten Bestimmungen zur Inventarisierung
stammen aus dem 5. bis 8. Jahrhundert277. So mussten Kirchenpröpste auf Anweisung
der Regierungen Inventare der Kirchenfabriken anlegen278, in Klöstern verschriftlichte
man anlässlich des Todes von Äbten das Stiftsinventar279. Daneben finden sich Schatzin-
ventare280, Inventare von Sakristeien, Pfarren und Bruderschaften281 oder beispielsweise
historische Archivinventare282. Bei dem auf Standesdifferenz und Exklusivität bedachten
Adel und Hof finden sich Inventare verstärkt anlässlich der zeitgenössischen Bestander-
schließung bzw. im Fall von Nachlässen Inventare in den adeligen283 und höfischen284
Kunstkammern oder in den Münzsammlungen285. Auch in der Hofwirtschaft bzw. bei
272 Schuurman–van der Woude, Probate, inventories.
273 Dazu etwa (Raumfolge, Toponomastik der Profanräume) Fidler, Über den Quellencharakter der
frühneuzeitlichen Architektur 958f.
274 Erinnert sei exemplarisch an die Studie von Medick, Weben und Überleben; siehe auch Hauser,
Dinge des Alltags 63–65.
275 Müller, Probleme der Informationsvermittlung 46–48. Als Beispiel für philologische Auswer-
tungsversuche: Gröchenig, Untersuchungen zur Worttypologie, am Beispiel von Koch-, Back-, Salz-, Futter
oder Traggefäßen; am Beispiel von fünf bäuerlichen Inventaren Toniatti, Hausinventare des 18. Jahrhun-
derts 386–422 (Glossar 409–422); Kalaus, Glossarium der waffentechnischen Fachausdrücke 49–58; Riehs,
Handtpüxl 42–44 [Auswertung von 89 Inventaren bezüglich Feuerwaffen].
276 Schmitz-Esser–Zanesco, Inventare 345.
277 Löffler, Inventare 122f.
278 Beimrohr, Verfachbücher 452.
279 Penz, Die Prälatenarchive 687; siehe auch Zimmermann, Ein Bamberger Klosterinventar 225–245.
280 Weingartner, Ein Inventar der Kleinodien 1–5; Ludwig, Die zwei ältesten Schatzinventare 1–20;
Watzl, Die zwei ältesten Inventare 269–279; Haselmayer, Der Klosterschatz.
281 Am Beispiel von 31 Messgewändern Garstenauer, Das Sakristeiinventar 87–104 [Edition 87–92];
Hahnl, Das Inventar 11–28 (Transkription 12–24); Schadelbauer, Das Inventar 3–21 (Transkription); Ritt-
steuer, Vom Paulinerkloster 170–177 (Auszug 173–177); Neuner, Ein liturgisches Inventar 81–82; zu Mu-
sikinventaren Pass, Das Musikalieninventar 402–443; Koller, Inventar der Göttweiger Kantorei 6–9.
282 Gehart, Ein Archivinventar 135–181 (Transkription 137–169).
283 Vorderwinkler, Die Kunstkammer, Edition nach 81; Bauer–Haupt, Das Kunstkammerinventar;
Mraz–Haupt, Das Inventar der Kunstkammer 225 [Edition I–LVIX]; Beck, Goldschmiedearbeiten 347–354.
284 Krenn, Der Kaiserliche Schatz 157 [Edition I–CXXVII].
285 Holzmair, Das wiedergefundene Inventar 79–89; Mayrhofer, Die Münzen- und Medaillen-
sammlung 65–80 (Transkription 74–76).
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin