Page - 71 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
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6. Zur vorliegenden Edition 71
6.1 Die Ordnung im Haus – Ansätze einer Auswertung
Die wichtigste Ordnung für das gemeinsame Haus335 und in der Hierarchie des spi-
talspezifischen Ordnungsgefüges zuoberst stehend – im Sinne der „guten Policey“ –
stellten die Spitalordnungen336 dar. Die Ordnungen für die österreichischen Spitäler
der Frühen Neuzeit sind im Sinne der systematischen Aktenkunde Schriftstücke der
Überordnung. Oft definierten sich die Texte in der Überschrift – so es derartige textli-
che Strukturelemente gab – folgendermaßen als bruderhaus-ordnung337, als Ordnung vor
das spital338, Spittalreguln339, Hausordnung340 oder als Spittals instruction und ordtnung341.
Im breiten thematischen Spektrum der Spitalordnung zwischen interner Anordnung
zur Führung des Hauses, als Handlungsmaxime für die Insassen und zur Disziplinie-
rung der Insassen versuchten manche der meist in Paragraphen gegliederten Ordnungen
schon in der Überschrift genauer zu spezifizieren: Regul und Obligation, Deren in dem
allhiesigen [Grazer] Armen Hauß sich befindlichen Armen342, Spital- und tagordnung für
die alten männer und weiber343, Lebensregel für die im klosterspittall zu Mölk wohnende
arme344. Manche Spitalordnungen versuchten auch eine Hausordnung mit einer Inst-
ruktion für den Spitalmeister zu kombinieren: Neü spitallordnung und instruktion de-
ren herrn spitlmaistern345 oder Ordnung, was die in dem stadt steyrer(isch)en burgerspitall
befündliche arme spitäller sowohl an allmosen zuempfangen und hierwegen zu verrichten
haben, alß auch was denen von zeit zu zeit aufgestelten spitall verwaltern in ihrer verrich-
tung zu beobachten oblige346. Entscheidend für die Durchsetzbarkeit der Spitalordnungen
gegenüber allen Insassen war die Publikation der Ordnung selbst: Meist wurde die Ord-
nung im Spital und sogar in jeder Spitalstube347 öffentlich ausgehängt. Zudem machte
die Spitalleitung jedem Neueintretenden348 in das Spital die Ordnung laut und deutlich
kund, weiters ließ die Spitalleitung den Normtext regelmäßig (entweder vierteljährlich
oder an jedem ersten Sonntag des Monats) verlesen349. Mitunter gibt es implizite Hin-
335 Bretschneider, Das „gemeinsame Haus“ 162–169.
336 Spitalordnungen: Nr. 1, 4, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 18, 19, 21, 22, 24, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 35,
37, 38, 39, 43, 44, 50, 54, 55, 61, 63, 65, 66, 72, 76, 80, 81, 84, 85, 86, 87, 88, 89, 90, 113, 125, 127, 134,
136, 137, 143, 144, 144a, 192, 193, 194, 195, 201.
337 Zell am See, 1800, Edition Nr. 38, S. 593f.
338 Gleisdorf, 1743, Edition Nr. 54, S. 662–665.
339 St. Pölten, 1756, Edition Nr. 127, S. 887–889.
340 Knittelfeld, 1828, Edition Nr. 65, S. 688–689.
341 Wiener Neustadt, 1622, Edition Nr. 136, S. 902–904.
342 Graz, 1728, Edition Nr. 55, S. 666–670.
343 Wien, 1745, Edition Nr. 144, S. 933–935.
344 Melk, 1770, Edition Nr. 125, S. 879–884.
345 Leoben, 1695, Edition Nr. 66, S. 692–697.
346 Steyr, 1757: Edition Nr. 113, S. 843–849.
347 Edition Nr. 144, 20, S. 934f.: Diese spital- und tagordnung solle in jeglicher stuben zu jedermans zu
wissen aufgemacht und alle erste Sonntag des monaths in gegenwart aller und jeder, nach dem um 11 uhr vollendeten
rosenkrantz, offentlich und lauth abgelesen werden.
348 Edition Nr. 90, 3.7, S. 756f.: Und damit sich […] kein spitäler oder spitälerin mit der unwissenheit
entschuldigen möge, so wird dem spital verwalter hiemit anbefohlen, bei eintrettung eines spitälers oder spitälerin
ihnen diese errichtete ordnung klar und deütlich fürzulesen, und zu festhaltung derselben anzumahen, auch öfters zu
wiederhollen.
349 Edition Nr. 28, 14, S. 558f: […] sollen solche leges und sazung, ordentlich beschriben, in der gemainen
stuben aufgehenkt und den ersten Sambstag jedes monats nach einer geistlichen lection im beysein aller spitaller abgelesen
werden. Ebd. Nr. 38, 9: soll der verwalter diese ordnung den eingeleibten personen alle Quatember öffentlich vorlesen.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin