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Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
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Page - 93 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1

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II.1 Vorarlberg: Bludenz – Bürgerspital (Kommentar Nr. 17) 93 lassen durfte. Der Pflicht, die Messe in der Dreifaltigkeitskirche zu lesen, kam er nach amtlicher Aussage jedoch in den folgenden Jahren nicht nach; auch die geplante vierte Priesterstelle in Bludenz ließ sich trotz der nunmehr vorhandenen Mittel nicht realisie- ren9. Die Finanzierung des Spitals erfolgte durch das Stiftungskapital der Bürger, das sich in den hundert Jahren nach 1570 von 460 auf 7.400 Pfund Pfennige erhöhte. Neben An- lagevermögen, dessen Zinserträge zur Versorgung der Hausarmen und der Spitalinsassen sowie für das Lesen der jährlichen Stiftermessen verwendet wurden, testierten Bludenzer Frauen und Männer auch Grundstücke, um zum Beispiel eine Kuh für die Versorgung von Kindern halten zu können. Zusätzlich flossen Kirchenabgaben und städtische Steu- ereinnahmen dem Hospital zu. Dies änderte allerdings nichts an der Situation, dass die Einrichtung nur über begrenzte Platzkapazitäten verfügte10. Obwohl die Stadt Bludenz im Vergleich zum Land zwischen 1511 (ca. 800 Einwohner, ummauerte Stadt inklusive einiger Weiler) und 1754 (1.205 Einwohner) nur unterdurchschnittlich wuchs11, sorgten die mehrfachen Brandkatastrophen und die allgemeine Armut für ein kontinuierliches Interesse an der dauerhaften Versorgung im Hospital. Pilger mussten vom Stadtrat abge- wiesen werden und im 17. Jahrhundert hatten sogar mehrere („ungeeignete“) Personen das Haus auf Anordnung des Rates zu verlassen. Die Obrigkeit konnte daher ihre Norm- vorstellungen leichter zur Geltung bringen und die Insassen zur Arbeit und zu friedlichem Verhalten anleiten. Wer daher seine Nutztiere, wie z. B. Hühner, in die Stube mitbringen wollte, dem drohte äußerst rasch der Ausschluss aus der Anstalt. Nach dem Brand 1638 hielten sich auch einst wohlhabende Bürger in der Spitalstube auf und schliefen nachts in kalten Ställen und Gewölben. Eindringlichen Protest rief daher das Ansinnen des Vog- teiverwalters der Herrschaften Bludenz und Sonnenberg, Hans Ulrich von Ramschwag, hervor, der 1653 den Befehl erteilte, Kinder aus Frastanz und drei fremde Männer ins Spital aufzunehmen. Die Stadt verwies auf ihren hohen Schuldenstand und die enorme Belastung durch die eigenen Armen. Fremde könne man lediglich ein bis zwei Tage be- herbergen, so die Argumentation, und man sei nicht bereit, die durch den Brand obdach- los gewordenen Bürger auf die Gasse zu stoßen12. Als Verwalter der städtischen Einrichtung fungierte der Spitalmeister (bzw. -pfleger), üblicherweise ein Ratsherr, dem die Kontrolle der Finanzgebarung des Hospitalhaushal- tes oblag. Neben der genauen Buchführung und der Verpflichtung, die Lebensmittel zu günstigem Preis zu beschaffen, hatte er die Hausbediensteten zu entlohnen, gelegentlich einen Rundgang im Spital vorzunehmen, eventuelle Reparaturarbeiten zu überwachen und am Jahresende dem Bürgermeister und Rat eine penible Abrechnung über seine ent- lohnte Tätigkeit zu übergeben. Zu gelegentlichen Auseinandersetzungen zwischen Pfleger und Rat führte die angeblich etwas zu sorglose Vergabe des Schmalzes aus dem Spitalkü- bel, „und aber nit Noth, sovil auszuthailen, es soll hinfür wöchentlich nit mer als ein halb Viertel Schmalz ausgethailt werden, was aber extra wär, solle der Spitalmeister mit Herrn Bürgermeister Rathschlag gehandelt werden. Der Spitalmeister soll darum mit Schmalz 9 Rapp–Ulmer–Schöch, Dekanat Bludenz 179–190. 10 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter 218f.; Leuprecht, Armen- und Krankenpflege 37–41; Wanner, Medizin 20. 11 Klein, Bevölkerung Vorarlbergs 72f.; Strolz, Beiträge 71–73. 12 Wanner, Medizin 17; Leuprecht, Armen- und Krankenpflege 43–46; Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter 219; Scheutz–Weiss, Spitäler 213.
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Spital als Lebensform Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Spital als Lebensform
Subtitle
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
Volume
1
Authors
Martin Scheutz
Alfred Stefan Weiß
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2015
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-79639-8
Size
17.5 x 24.7 cm
Pages
432
Category
Medizin
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