Page - 94 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
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als auch mit anderen Ausgaben sovil als möglich einhalten und in Vorrat husen“13. Der
Pfleger Andreas Tschann, der im Jahr 1660 90 Viertel gegen Gesaz und Ordnung ausge-
geben hatte, musste die Kosten dafür aus eigener Tasche bestreiten14. Laut seiner Dienst-
instruktion hatte der Spitalmeister ferner das Freitagsalmosen und die „Spend“ in der
Spitalkirche an die berechtigten Armen auszuteilen, nachdem diese die vorgeschriebenen
Gebetsdienste (Vater Unser, Ave Maria, Glaubensbekenntnis) geleistet hatten. Schämte
sich jedoch ein Hausarmer, sein Almosen persönlich abzuholen, wurde er wegen „bettel-
hoffarth“ vom künftigen Genuss ausgeschlossen15.
Die eigentliche Arbeit im Haus versahen der Spitalvater und seine Ehefrau (Edition
Nr. 17, S. 513f.), deren Instruktion sich mehrfach erhalten hat16 und die direkt dem Pfle-
ger unterstellt waren. Beide wohnten im Spital und waren verpflichtet, für Ordnung und
Sauberkeit im Gebäude sowie in der Kirche zu sorgen, Mängel aufzuzeigen, Gefahren – vor
allem das ständig drohende Feuer – vom Haus abzuwenden und die Armen zu versorgen.
Die Insassen und Pilger, die niemals ohne Wissen des Bürgermeisters eingelassen werden
durften, hatte das „Amtsehepaar“17 genau zu überwachen (guete obacht) und einzuschließen
(den spithall fleisig beschlossner halten). Im Haus sollte Friede herrschen, die vorgeschriebe-
nen Gebete waren zu verrichten und das Spiel mit Karten sowie abendliche Unterhaltungen
(hängert) galt es einzudämmen. Sollte sich der Spitalvater nicht in der Lage fühlen, einem
Punkt seiner Ordnung verlässlich nachzukommen, hatte er unverzüglich den Amtsbürger-
meister zu informieren. Waltete seine Frau üblicherweise auch als städtische Hebamme, so
versah der Spitalvater zusätzlich den Nachtwächterdienst und an Markttagen hatte er neben
dem thorwartter mit dem gewehr schilltwacht [zu] stehen18. Das Verhältnis zwischen Pfleger
und Spitalvater verlief nicht immer friktionsfrei und mehreren Personen wurde auch Miss-
wirtschaft und Unordnung vorgeworfen. Vereinzelt bat sogar ein Hospitalangestellter um
Dienstentlassung – so im Jahr 1695 Spitalvater Joseph Tschanett –, da er mit den Kranken
und ihren Problemen nicht umgehen konnte. Beim Ausbruch von Seuchen bestellte die
Stadt zusätzlich eigene Pflegerinnen19. Die vom Aussatz befallenen Personen wurden jedoch
seit dem Hochmittelalter ohnedies im Sondersiechenhaus „im Töbele“ auf der Allmende
zwischen Nüziders und Bludenz versorgt. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts betreute man
auch in dieser Anstalt vermehrt Arme und Obdachlose. Im 19. Jahrhundert nutzte die Ge-
meinde Nüziders das Gebäude bis 1879 als Altenheim, bevor es der Bludenzer Bäckermeis-
ter Gebhard Fuchs kaufte und mit Ausnahme der Sebastianskapelle abreißen ließ20.
13 VLA, StA Bludenz, RP, 1655 November 27, zit. nach Leuprecht, Armen- und Krankenpflege 48;
Wanner, Medizin 18.
14 Leuprecht, Armen- und Krankenpflege 49.
15 Strolz, Beiträge 108, 220–222, 233–240; Leuprecht, Armen- und Krankenpflege 47–50;
Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter 223; Scheutz–Weiss, Spitäler 211; VLA, StA Bludenz, Sch. 3, Fasz.
5, Nr. 112, Instruktion Spitalpfleger Bludenz, um 1780, bes. Punkt 5.
16 VLA, StA Bludenz, Sch. 104, Fasz. 98, Nr. 83, Instruktion für den Spitalvater Christian Walser,
1663 Juli 14; Sch. 216, Fasz. 202, Nr. 7, Instruktion für den Spitalvater Lenhart Schnöler, 1668 Februar 24;
Strolz, Beiträge 223f.; Leuprecht, Armen- und Krankenpflege 50–52.
17 Vanja, Amtsfrauen 10f.; Bretschneider–Scheutz–Weiss, Machtvolle Bindungen 14.
18 VLA, StA Bludenz, Sch. 216, Fasz. 202, Nr. 7, Instruktion für den Spitalvater Lenhart Schnöler,
1668 Februar 24; Strolz, Beiträge 223f.; Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter 219; Weiss, Österreichi-
sche Hospitäler 224.
19 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter 218f.; Leuprecht, Armen- und Krankenpflege 52f.;
Wanner, Medizin 18.
20 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter 220; Bussjäger, Gemeindebuch Nüziders 62–66; Leuprecht,
Beiträge; Rapp–Ulmer–Schöch, Dekanat Bludenz 50f.; Egger, Ausgrenzen 34–36; Strolz, Beiträge 205–212.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin