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II.2 Vorarlberg: Bregenz – Leprosenhaus (Kommentar Nr. 18)
In den Vorarlberger Quellen werden die Leprakranken als Sondersieche, als Fernsieche,
Miselsüchtige, Malassoelm oder als mit Malazei Behaftete bezeichnet. Die so genannten
Feldsiechen hatten ihre Unterkünfte möglichst weit entfernt von den Städten auf dem
Feld, wo sie üblicherweise unter eher erbärmlichen Umständen ihr Dasein fristen muss-
ten. Die Stadtsiechen lebten am Stadtrand, ebenfalls abgesondert von ihren Verwandten,
Bekannten und Mitbürgern, jedoch unter meist besseren Bedingungen1. Von größerer
Bedeutung waren die Einrichtungen in Feldkirch (Levis), das Sondersiechenhaus im
Töbele (zwischen Nüziders und Bludenz gelegen) und die Anstalt beim Siechensteig in
Bregenz, die immerhin bis zum Jahr 1831 ihre (Ausschluss-)Funktion beibehielt und im
19. Jahrhundert vor allem Frauen sowie Männern mit unheilbaren, ansteckenden bzw.
psychischen Erkrankungen Herberge bot2.
Die genaue Entstehungszeit des Leprosenhauses in Bregenz ließ sich bisher archiva-
lisch nicht ermitteln; allerdings werden im Testament des Grafen Hugo von Montfort
aus dem Jahr 1338 bereits die Sondersiechen zu Bregenz mit einer Schenkung bedacht,
die – mit aller Vorsicht gelesen – als erster Hinweis auf eine entsprechende Anstalt gedeu-
tet werden kann3. Als eindeutiger Beleg für die Existenz eines Spitals gilt die durch Abt
Heinrich von Mehrerau erteilte Bewilligung für den Bau einer Siechenkapelle4 und die
Anlegung eines Friedhofs im Jahr 1400. In der Widmungsurkunde wurden die Zweck-
bestimmung der Kapelle, die seelsorgerische und die gottesdienstliche Betreuung näher
festgelegt. Durften auf dem kleinen Gottesacker lediglich Aussätzige bestattet werden, so
stand hingegen das Kirchlein sowohl Kranken als auch Gesunden offen: Allerdings muss-
ten die gesunden Bewohner der Stadt die Eingänge im hinteren Kirchenschiff benützen,
die Kranken hingegen eine schmale Pforte an der Rückseite der Kapelle, über die sie zu
einer Empore gelangten, welche über den Seiteneingängen über das gesamte Kirchen-
schiff angebaut war. Nur auf diese Weise konnte verhindert werden, dass die Leprosen
Kontakt mit ihren gesunden Mitbürgern aufnahmen. Außerdem konnten die Erkrankten
das Gotteshaus auf diese Weise betreten, ohne von den anderen auch nur gesehen zu wer-
den. Aus der Zeit nach 1400 verfügen wir bereits über reicheres Quellenmaterial, das vor
allem Stiftungen, Schenkungen, Zinsbriefe, Rechnungen und Bitten um die Aufnahme
erkrankter Menschen in die Institution der Nachwelt überlieferte5.
Nach der erfolgten Siechenschau, für die sich die „verdächtigen“ Personen üblicher-
weise nach St. Gallen oder nach Lindau zu begeben hatten, erfolgte bei ärztlicher Bestäti-
gung des Verdachts der Verlust der Freiheit, des eigenen Besitzes und meist noch zusätz-
lich die Zeremonie der Sequestration, ein kirchliches Ritual, mit dem die Absonderung
bestätigt und der Kranke definitiv aus der Gesellschaft ausgeschlossen wurde. Für Bregenz
lässt sich dieser Ritus bisher nicht nachweisen, er kann jedoch umgekehrt auch nicht aus-
geschlossen werden. Nachgewiesen werden kann allerdings, dass sich vermögende Men-
1 Burtscher, Sondersieche 37.
2 Egger, Ausgrenzen 34–38; Wanner, Medizin 27–32; Burtscher, Sondersieche 41.
3 Bilgeri, Bregenz 49.
4 Siehe zur Bau- und Kunstgeschichte der Vikariatskirche zur hl. Maria Magdalena Frey, Kunstdenk-
mäler 296–307, zum Siechenhaus 307–309.
5 Volaucnik, Bregenzer Armenfürsorge 247; Gmeiner, Bregenzer Krankenanstalten 66; Burtscher,
Sondersieche 42–44.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin