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III.2 Tirol: Hall – Bürgerspital (Kommentar Nr. 22–26)
Das 1342 mit Unterstützung des Landesfürsten Ludwig von Bayern gegründete Bürger-
spital der im mittleren Inntal gelegenen Stadt Hall, die ihren Reichtum dem auf dem
Inn laufenden Handel und dem Salzvorkommen (Bergbau im Halltal, zehn Kilometer
nördlich der Stadt; Versiedung des Salzes in der Saline) verdankt, darf dank der Forschun-
gen des Haller Stadtarchivars Heinz Moser als eines der am besten erforschten Spitäler in
Österreich gelten1. Das Spital wurde in einem landesfürstlichen, zuvor vom Hallschreiber
belegten Haus am „Wasen“ (nahe dem Fluss Gießen) eingerichtet und bestand an diesem
Ort bis 1835 (danach befand sich dort eine Mädchenschule der Schulschwestern). Die im
Haus befindliche Badestube wurde dem Bürgerspital mit der Benutzungsauflage überlas-
sen, dort weiterhin die Salzarbeiter zu baden. Neben dem Bürgerspital gab es noch ein seit
1354 nachweisbares Leprosen- oder Siechenhaus (mit einer Leonhardskirche), das sich
östlich der Stadt befand. Das Bürgerspital in Hall verpflichtete sich 1431 als Gegenleis-
tung für die Überlassung von Grundstücken durch die Stadt die städtische Röhrentrink-
wasserleitung instand zu halten2. Das Spital in Hall erhielt schon zur Gründungszeit und
später immer wieder Einnahmen aus dem Pfannhaus (ab dem 15. Jahrhundert auch Be-
teiligung am Salzberg) gewidmet (Arbeitslehen)3. Daneben erlangte das Bürgerspital seit
1359 Naturalien (Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Heu, Kraut) durch den Großen Ze-
hent (Zehent von Hall, Absam und „auf dem Walde“/Gnadenwald), der übrigens nicht
in den Spitalrechnungen (wo nur Einnahmen und Ausgaben in Geld verzeichnet wurden)
verbucht ist. Den „kleinen Zehent“ leistete man dagegen in Geld und er ist daher in
den Spitalrechnungen gut nachvollziehbar. Neben den Zehenten verdankt das Spital den
über Schenkungen erworbenen Grundzinsen und Realitätenbesitzungen seine ökonomi-
sche Basis. Nach einer Durchsicht der Spitalrechnungen bezog das Spital 15 % seiner
Einkünfte im 16. Jahrhundert aus Grundzinsen4. Die Landwirtschaft des Spitals auf den
eigenen Gütern war umfangreich (Obstbau: Äpfel-, Birnen-, Zwetschkenbäume). Nach
Spitalordnungen des 16. Jahrhunderts benötigte das Haller Spital im 16. Jahrhundert
jährlich 3.500 Liter Weizen, 5.000 Liter Hirse (Brei), 7.000 Liter Gerste, 23.000 Liter
Roggen und vor allem zur Tierfütterung 30.000 Liter Hafer („Fueter“). Die Grundstücke
im Aichat und im Haller Feld konnten aber insgesamt nicht den Eigenbedarf decken,
so dass immer wieder Getreide zugekauft werden musste. Der nach der Aufstellung der
Spitalordnung von 1553 erschlossene jährliche Bedarf von 6.500 bis 7.000 Liter Wein
wurde durch die Weingüter des Spitals um Meran, Brixen und Klausen gesichert5. Eine
wichtige Einnahme für das Spital war die seit 1416 dem Spital gehörige „Lend“ (in einem
13 Hektar großen Gebiet gelegen, „Pigar“), wo die durch den Holzrechen im Inn zum
Umladen gezwungenen Innschiffe (Stapelrecht der Stadt Hall) ankerten und anlandeten6.
Rund ein Fünftel bis ein Viertel der Einnahmen des Haller Spitals stammte aus den Lend-
gebühren (ein eigener Lendhüter kümmerte sich um die Einnahmen). Die wichtigste Ein-
nahmequelle stellte das vom Spital betriebene Fuhrwerkswesen (mit Wagenknechten) dar.
1 Moser, Hall; zur Stadtgeschichte Hye, Hall in Tirol.
2 Hye, Hall in Tirol.
3 Moser, Hall 20f.; allgemein 18–23; 142–146.
4 Ebd. 34; allgemein 26–34, 148–156.
5 Ebd. 45; allgemein 45–58, 168–175.
6 Ebd. 58–78, 175–186.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin