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in den anderen Spitälern dem Gebet und eben nicht der Arbeit gewidmet werden. Zieht
man die Zeit für die geistlichen Verrichtungen ab, so blieben im besten Fall sieben Stun-
den an Arbeitsleistung übrig29.
Weiter bleibt zu bedenken, dass teilweise nur ca. die Hälfte der Versorgten überhaupt
im Armenhaus lebten. Im Jahr 1749 waren von insgesamt 416 versorgten Personen ledig-
lich 212 Anstaltsinsassen (51 %), bei denen es sich zum überwiegenden Teil um Frauen,
teilweise auch um Kinder handelte. Bei einer Musterung von 500 Armen zu Beginn des
Jahres 1726 hatte sich auch ergeben, dass ein Drittel überhaupt nicht zu einer Arbeits-
leistung in der Lage war. Dies traf vor allem auf Kinder, Blinde, Lahme, Bettlägerige und
mental Erkrankte zu30. Blieben noch maximal 150 Personen zur Arbeitsleistung übrig, so
konnten auch diese meist nur zu leichteren Arbeiten im Haus und gelegentlichen Tätig-
keiten herangezogen werden. Die Anstalt entsprach damit wohl eher einem überdimensi-
onierten Spital mit schlechterer Kostversorgung als in kleineren Häusern. Die 14 Punkte
umfassende Ordnung31, die zunächst sehr wohl an eine Disziplinaranstalt denken lässt
und Sanktionen für Abweichungen von Normen in Bezug auf Körper, Handlungen und
Sexualität vorsah, wurde jedoch innerhalb weniger Jahre von der Wirklichkeit überrollt.
Die Insassen sollten geordnet, tätig, fromm und keusch leben – ein Musterungsbericht
aus dem Jahr 1738 verkündete völlig andere Zustände. 13 Zimmer wurden von jeweils
acht bis 35 Personen bewohnt, wobei lediglich in sechs eine geschlechtliche Trennung
vorgenommen worden war. Sieben Zimmer wurden entgegen aller öffentlicher Ankün-
digungen gemischt-geschlechtlich bewohnt (nur ein Raum wurde erlaubterweise von
Ehepaaren genutzt), so dass sich ohnedies die unrealistischen Vorstellungen zur Sexual-
moral – man traf sich zu sexuellen Aktivitäten überdies in den Toiletten und in „Schliepf-
Winkeln“ – nicht einhalten ließen. Noch im Jahr 1780 bemühte sich der Armenhausver-
walter bei seiner vorgesetzten Behörde, um für 50 „aldort im Hauß befindliche Trodteln
bederley Geschlechts“, die „aus Abgang nöthiger Kleidung ganz zerfezet, und fast bloß
herumgingen“, Kleider ankaufen zu dürfen32.
Die Regul und Obligation des Jahres 1728 sah im Sinne einer Zwangsanstalt zwar bei
groben Verstößen gegen die Hausordnung, so z. B. bei Zanck- oder Rauf-Händl, die Ein-
sperrung in die Keuche und sogar Peitschenhiebe als körperliche und entehrende Stra-
fen vor33, doch lässt sich diese Bestrafungsform nicht wirklich nachweisen. Wer sich auf
Dauer nicht der Ordnung unterwerfen wollte oder konnte, der musste letztendlich den
geschützten Spitalraum verlassen34. Die Insassen durften zwar nicht ohne Erlaubnis den
„Spitalbezirk“ verlassen, dennoch blieben aber die Türen offen und durchlässig35, so dass
die These der Internierungsanstalt nicht weiter beibehalten werden kann. Das Leben im
Haus war dennoch keineswegs frei von Zwängen, denn nur wer sich in einer materiellen
oder sozialen Notlage befand, ertrug auch (zwangsweise) jahre- oder jahrzehntelang die
mühevollen Umstände in der Versorgungsanstalt36.
29 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 122f.
30 Haydinger, Fürsorge 95.
31 Edition Nr. 55, S. 666–670.
32 Watzka, Totale Institutionen 247f., Zitat 248; ders., Arme, Kranke, Verrückte 127f.
33 Edition Nr. 55 (13), S. 668.
34 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 128.
35 Weiss, Karitativer Stadtraum 455f., 461.
36 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 128f.; ein sehr interessantes Fallbeispiel (1783) wird von Ham-
mer-Luza, Publico 195, beschrieben.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin