Page - 194 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Image of the Page - 194 -
Text of the Page - 194 -
194 Kommentare
der Pest 1571 nicht um seine Pfarrkinder gekümmert, sondern sein eigenes Leben zu
retten versucht hatte –, brachte daher der Rat den Prediger Christoph Resch im Freihaus
des Adeligen Christoph Praunfalkh unter. Zwar hatten die evangelischen Stände 1572 das
große Religionsprivileg erhalten, doch schloss dies nicht die Städte mit ein. Der Rat sah
seinen Argumentationsnotstand ein, entschuldigte sich devot beim Erzherzog und ließ
augenblicklich die Spitalkirche schließen. Dompropst Laurentius von Seckau wurde da-
raufhin von Erzherzog Karl angewiesen, die Vorwürfe gegen den Stadtpfarrer zu prüfen.
Der Knittelfelder Prädikant musste zwar weichen, aber die Knittelfelder kehrten dennoch
nicht zum Stadtpfarrer zurück, sondern „liefen“ nach Groß-Lobming aus8.
1689 kam es erneut zu einem Schlagabtausch zwischen der Bürgerschaft und dem
Pfarrherrn, der sich weigerte, weitere Messen in der Spitalkapelle lesen zu lesen. Der Pfar-
rer betonte, dass in der kleinen Kirche kein Leonhardsaltar aufgestellt sei und der Bürger
Hans Stephanigg eine hohe Säule mit dem Bild des hl. Leonhard in der Stadtpfarrkirche
aufrichten wolle, wodurch diese zu höheren Einkünfte käme. Die Spenden an die Spi-
talkirche hingegen würden ausschließlich für die Meierei verwendet und der Priester be-
komme nicht einmal ein Mittagessen zur Kirchweih, außerdem verweigere man ihm den
uneingeschränkten Zutritt zur Sakristei und Kirche. Die Auseinandersetzungen zwischen
Rat und Pfarrer zogen sich trotz gegenteiliger Beteuerung „in die Weitgeschäftigkeit“9.
Im frühen 18. Jahrhundert musste sich sodann der Rat mehr Sorgen um den Bauzu-
stand der Kirche machen, denn 1733 stürzte ein Teil des Chorraumes ein, wobei mehrere
Personen zum Teil schwer verletzt wurden. Der Müller Hans Pürkwieser aus Maßweg
starb sogar an den Folgen dieses Unfalls. Im Jahr 1784 befand sich auch das Spitalgebäude
in einem äußerst desolaten Zustand und die Fußböden drohten durchzubrechen, so dass
die Insassen am Dachboden in „Schlaf-Verschlägen“ hausen mussten. Wenige Jahre später
wurde auf Antrag des Kreisamtes die kleine Kirche wegen Baufälligkeit gesperrt, profa-
niert und schließlich 1830 mit allen Gerätschaften verkauft. Die in Knittelfeld geborene
Frau des erfolgreichen Großindustriellen und Walzblechfabrikanten Andreas Töpper
(1786–1872), Helena Töpper (geb. Hafner, 1776–1859), stiftete für die Gründung der
Krankenanstalt in Knittelfeld 1844 einen größeren Betrag und wurde, ganz in der früh-
neuzeitlichen Tradition der Stifterbilder, dafür auch im Spital mit einem Bild verehrt. Spi-
tal und Kapelle wurden beim Bombenangriff am 23. Februar 1945 so schwer beschädigt,
so dass man sie gegen Ende der 1940er Jahre schließlich endgültig abtragen ließ10.
Das Spital existierte im 19. Jahrhundert als Armeninstitut und versorgte 18 Pfründ-
ner11. Eine spezielle Hausordnung für Knittelfeld konnte bisher nicht nachgewiesen
werden, doch hatte die relative junge Anstaltsnorm aus dem Jahr 1828 für die Spitä-
ler des Bezirkes Judenburg ebenfalls Gültigkeit für die Einrichtung der Stadt Knittelfeld
(Edition Nr. 65, S. 688–691)12. Im Sinn der wiederholt konstatierten langen Dauer der
Ordnungen war auch diese noch durchweht vom spätmittelalterlich-frühneuzeitlichen
Geruch der Geistlichkeit und betonte intensiv den Aspekt des gemeinschaftlichen christ-
lichen Lebens. Sie kannte noch immer den berühmt-berüchtigten Disciplinar-Arrest und
8 Hammer, Knittelfelds Vergangenheit 87f.; Tschmuk, Knittelfeld 223–225; Gröchenig, Knittel-
feld 51.
9 Hammer, Knittelfelds Vergangenheit 415; Tschmuk, Knittelfeld 214.
10 Tschmuk, Knittelfeld 404f.; Hammer, Knittelfelds Vergangenheit 322f.
11 Andritsch, Knittelfeld 75.
12 StLA, A. Knittelfeld, K. 70, H. 77 (Druck), Ordnung der Spitäler und Versorgungshäuser im Kreis
Judenburg, Judenburg, 1828 November 29.
back to the
book Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1"
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin