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VI.11 Steiermark: Neumarkt – Bürgerspital (Kommentar Nr. 69)
Aus einer Urkunde des Jahres 1374 wird ersichtlich, dass man sich in Neumarkt ernsthaft
mit dem Gedanken auseinandersetzte, für Sieche, also Kranke, eine eigene Einrichtung
zu schaffen. Acht Jahre später wurde bereits ein Hospital außerhalb des Marktes, vor dem
unteren Tor, erwähnt. Gegen Ende dieses Jahrhunderts dürften sogar zwei karitative Häu-
ser existiert haben, eines davon für eindeutig kranke und behinderte Menschen. Das so
genannte Siechenhaus beherbergte jedoch vermutlich keine Aussätzigen, ansonsten hätte
sich mit hoher Wahrscheinlichkeit die Bezeichnung sundersiechen überliefert. Diese An-
stalt weit außerhalb des Ortes fand nach 1473 keine Erwähnung mehr und wurde mögli-
cherweise aufgelassen oder von den feindlichen Osmanen bzw. Ungarn zerstört1.
In den Jahrzehnten nach der Glaubenskrise konnten die Armen nur mit Almosen ver-
sorgt werden (betl brodt)2, ein Spital lässt sich bisher noch nicht belegen. Erst im Februar
1579 ist wiederum von einer Fürsorgeanstalt, dem neu erbauten Lasaret vor dem unteren
Tor zwischen dem Markt und St. Marein die Rede, welches von der Bürgerschaft ver-
mutlich schon vor dem Jahr 1571 gestiftet worden war (St. Marein Nr. 1)3. Als Bischof
Jakob I. Eberlein von Seckau das kleine Hospital 1619 visitierte, hieß es im Protokoll,
dass die 13 Armen in etwas beengten Verhältnissen von wenigem Grundbesitz und Al-
mosen lebten. Die Aufsicht führte der bürgerliche Magistrat, der auch für die Rechnungs-
legung zuständig war, der Pfarrer von St. Marein war hingegen zu dieser Überprüfung
der wirtschaftlichen Verhältnisse nicht eingeladen. Der Spitalmeister wurde vom Bischof
aufgefordert, an der Hausmauer ein frommes Bild anzubringen und beim Weg ein Kreuz
mit einem Opferstock zu errichten, da ansonsten den Passanten die Funktion des Hauses
nicht ersichtlich sei und sie nicht entsprechend zum Almosengeben eingeladen würden.
Noch im Sinn der Gegenreformation wurde streng darauf geachtet, keine Häretiker mit
Almosen zu beteilen, die Aufnahmewürdigkeit durch den Pfarrer prüfen zu lassen und
die Schlafräume mit Weihwasser und frommen Bildern auszustatten. Beichte und Kom-
munion waren ohnedies obligatorisch. Der Bischof kümmerte sich verständlicherweise
lediglich um die religiösen Belange und beharrte überdies dem Rat gegenüber darauf,
dass künftig der Pfarrer von St. Marein als Kontrollorgan bei den jeweiligen Rechnungsle-
gungen fungieren sollte. Bürgermeister, Richter und Rat hatten hingegen vielmehr dafür
Sorge zu tragen, dass im Haus nicht ständig Unfriede herrschte, und so wurde 1599 der
angesehene Ratsbürger Jakob Portner zum Spitalmeister gewählt, der auch zum großen
Gönner der Anstalt avancierte4. Zuvor hatte der Rat darauf vertraut, dass sich das Leben
im Spital selbst regulieren würde, eine wenn auch nur mündlich ausgegebene „Lebensord-
nung“ wurde nicht einmal ansatzweise überwacht5.
Am 13. August 1645 stiftete Jakob Portner, der den cursus honorum des Marktes
durchlief, 600 fl. zur Errichtung einer Kapelle beim Spital. Der angesehene Bürger, der
schwer erkrankt war, suchte beim Erzpriester Nicolaus Battaglia von Friesach um Zustim-
mung zum Bau an, doch wartete er die Entscheidung des Salzburger Erzbischofs nicht ab.
1 Brunner, Neumarkt 213f.
2 StLA, Weltliche Stiftungsakten 67, K. 209, Nr. 39, Richter und Rat des Marktes Neumarkt an die
Landessicherheitshofkommission, undatiert (1739 September).
3 Brunner, Neumarkt 215; ders., St. Marein 300.
4 Ders., Neumarkt 215f.
5 Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 118.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin