Page - 212 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Image of the Page - 212 -
Text of the Page - 212 -
212 Kommentare
VI.13 Steiermark: Rottenmann – Bürgerspital (Kommentar Nr. 71)
Näherte sich ein Reisender oder Umlandbewohner gegen Ende des 17. Jahrhunderts der
landesfürstlichen Stadt Rottenmann, so bot sich ihm folgendes Bild1: Außerhalb der um-
mauerten Ansiedlung erblickte der Beobachter das Schloss „Grienbichel“ (Grünbühel/
Strechau) und drei weitere Baukomplexe. Nahm man den Standpunkt des Betrachters
auf der Stadtansicht des österreichischen Topographen Georg Matthaeus Vischer im Wes-
ten/Nordwesten außerhalb der Stadt ein, so konnte man gut den Bereich der Niederen/
Unteren (so genannte Salzburger) Vorstadt in Augenschein nehmen, die für unser Thema
von Relevanz ist. Unmittelbar vor dem Stadttor waren nördlich der Straße die Bauten des
alten Bürgerspitals zu sehen, welche seit der Gründung durch den Ritterbürger Mark-
ward von Rottenmann im Jahr 1341 eine besonders wechselvolle Geschichte erlebt hat-
ten2. Der Stifter des Spitals, der zwischen 1335 und 1343 auch häufiger in Admonter
Urkunden aufscheint, widmete dem Bau seines karitativen Werks zusätzlich ein „Vail-
pad im Moos“, Zinse und einige Grundstücke. Außerdem sollten jeweils innerhalb von
14 Tagen fünf Messen in der Spitalkapelle gelesen werden. Trotz dieser milden Stiftung
prosperierte das Haus (Spital am Rain) nicht, so dass dem in der Stadt einflussreichen
Bürger Wolfgang Dietz, Mitglied des Rates, die Rolle eines zweiten Stifters zukam. 1438
übertrug er der Anstalt eine Reihe von Gütern, er ließ das Spital und die Kirche reno-
vieren, erweitern und mit einem Chor sowie Langwerk versehen. Außerdem hatten die
Hausbewohner nun die Möglichkeit und Pflicht, sechs Mal pro Woche an der heiligen
Messe teilzunehmen. Seit 1451 dachte Dietz auch an die Möglichkeit, beim Hospital ein
Kloster zu gründen, welches nach Zustimmung durch Papst Nikolaus V. im Jahr 1456
als Augustiner Chorherrenstift seine Verwirklichung fand. Die Chorherren bewohnten
künftig das neuerbaute Langhaus des Spitalgebäudes, fühlten sich allerdings durch die
Hausbewohnerinnen gestört, wodurch ein Umzug der Armen unumgänglich erschien.
Kaiser Friedrich III. übertrug dem von allen Steuern befreiten Wolfgang Dietz das Haus
des verstorbenen Andreas Grienpeckh, welches in der Stadt beim unteren Tor lag. Angeb-
lich wurde die Trennung von Spital und Kloster im Jahr 1467 vollzogen, doch konnte sich
die Bürgerschaft mit dieser Lösung nicht wirklich anfreunden. Daher verfasste Dietz in
seinem Todesjahr († 22. April 1474) einen zweiten Stiftbrief, der Propst und Konvent ver-
pflichtete, den Armen ein jährliches Almosen zu reichen, weil sie ihre Heimstätte hatten
aufgeben müssen. Auch die ewige Messe sollte von den Chorherren ausgerichtet werden.
1478 wurde schließlich das Kloster in die Stadt verlegt, damit die Brüder die Pfarrkirche
St. Nikolaus besser betreuen konnten und das Klostergebäude vor den Einfällen der Os-
manen geschützt war. Der eigentliche Klosterkomplex wurde sehr schleppend abgetragen,
eine Wiederbelebung des Spitals kam erst durch Johann Christoph von Rappach 1536
zustande3.
Fungierte im spätmittelalterlichen Spital noch der zweite Stifter Wolfgang Dietz als
Zech- und Hospitalmeister4, so rekrutierten sich die Amtsträger in der Frühen Neuzeit
1 Vischer, Topographia Ducatus Stiriae 2 Nr. 357; zur Positionierung des Spitals außerhalb des ei-
gentlichen Stadtkerns siehe Watzka, Arme, Kranke, Verrückte 52.
2 Opll, Stadtansichten 184.
3 Arlic, Spital Maria am Rain 45–47, 53–58; Vlasaty, Spital 43f.; Reisinger–Menguser, Rotten-
mann 135–138; Weiss, Rottenmann 127–129; Wichner, Heilwesen 68–70.
4 Arlic, Spital Maria am Rain 46.
back to the
book Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1"
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin