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IX.1 Wien: Wiener Bürgerspital (Kommentar Nr. 144–190) 287
berg, Rämpelsdorf, Wieden und Erdberg), über 764 Joch Äcker (davon 384 Joch von St.
Marx), über 472 Tagwerk Wiesen (davon 130 Tagwerk von St. Marx), über 43 Gärten
(davon 36 von St. Marx) und fünf Wälder (Hadersdorf, Weidlingau, Kalksburg, Gablitz
und Hütteldorf) und über die Stadtgutau im Prater46.
Als Auswahlprinzip der vorliegenden Edition von zentralen Instruktionen für das Wie-
ner Bürgerspital stand eine imaginäre „Zeitschicht“ 1700/1720, weil hier die Überlieferung
besonders dicht war und damit ein grundlegendes Bild der differenzierten Organisations-
form des unzureichend erforschten Wiener Bürgerspitals in der Frühen Neuzeit – nach
dem Wiener Hof der größte Wirtschaftsbetrieb der Residenzstadt – gezeichnet werden
kann. Eine Spitalordnung aus 1745 zeichnet den Tagesablauf der Insassen innerhalb des
Bürgerspitals nach (Edition Nr. 144, , S. 933–935; zur Einweisung der Kranken durch
den jeweiligen Grundrichter Nr. 145, S. 935–937). Die zentrale Figur im wirtschaftlichen,
aber auch im administrativen Bereich (darunter der Rechtsprechung) war neben den beiden
Superintendenten der Spitalmeister des Bürgerspitals (und seine für die Küche zuständige
Frau), wie die umfangreiche Instruktion für Augustin Wagner (Edition Nr. 146, 1649, S.
937–946) verdeutlicht. Für die verschiedenen, räumlich weit auseinander gelegenen Häuser
waren Hauspfleger zuständig, wie der hier exemplarisch vorgestellte Hauspfleger von St.
Marx (1706) Johann Baptista Rüpfel (Edition Nr. 147, S. 946–950) verdeutlicht.
In der Neuzeit versahen im Regelfall drei Geistliche (ein Pfarrer und zwei Kapläne)
ihre Dienste im Bürgerspital; im 17. Jahrhundert waren dagegen zeitweilig nur zwei
Geistliche angestellt. Mehrere Prozessionen wurden vom Bürgerspital aus alljährlich ge-
führt, die symbolisch auch die Herrschaftsansprüche des Bürgerspitals über die unter-
geordneten Spitaleinrichtungen dokumentieren: Am 25. April nach St. Marx (Markus-
Prozession), in der Kreuzwoche nach St. Anna, zum Himmelpfortenkloster und zu den
Franziskanern, in der Oktav des Fronleichnamsfestes nach St. Stephan, am Rochustag
nach Penzing, am Bartholomäustag nach Hitzing und in der Rosalienoktav in die Kapelle
des Bäckenhäusels47. Die Bürgerspitäler als „geistliche Häuser“ verfügten über ein strenges
„Betregime“ wie an den Instruktionen für den Mesner am Wiener Bürgerspital (Edition
Nr. 148, S. 950–952) und für den Kantor (Edition Nr. 149, S. 950–954) deutlich wird.
Sowohl im Bürgerspital (Edition Nr. 150, 1713, S. 955f.) als auch in den Filialhäu-
sern (Edition Nr. 151, St. Marx 1707, S. 956–958; Nr. 152, Bäckenhäusel 1720, S. 958–
960) gab es einen Physikus (später auch einen Wundarzt – als spätes Beispiel Edition
Nr. 153, St. Marx 1819, S. 960–963; vgl. Nr. 154, S. 964f). Eine eigene Hausapotheke
lieferte ab dem 16. Jahrhundert die Basis der medizinischen Versorgung im Spital (ab
1642 Apotheke des Bürgerspitals in der Kärntnerstraße). Der Provisor (Ende des 17. Jahr-
hunderts drei Gehilfen) in der ab 1652 vollständig eingerichteten Bürgerspitalapotheke
bereitete die Medikamente zu (Edition Nr. 157, 1707, S. 968–972). Eigene Hebammen
scheint es nach dem Befund der Instruktionen Ende des 17. Jahrhunderts im Bürgerspi-
tal und danach im 18. Jahrhundert in St. Marx gegeben zu haben (Edition Nr. 155, St.
Marx 1719, S. 965–967). Wichtig für die medizinische „Befundung“, aber auch für die
Vergabe von Stattzeichen an Bettler48, war der Beschauer im Wiener Bürgerspital (Edition
Nr. 156, 1680, S. 967f.). Die Siechenväter waren direkt der Aufsicht des Spitalmeisters
unterworfen und hatten die Kontrolle in den Stuben der einzelnen Spitäler (hier in Aus-
46 Ebd. 41f.
47 Ebd. 54.
48 Pichlkastner, Das Wiener Stadtzeichnerbuch.
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Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin