Page - 302 - in Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Image of the Page - 302 -
Text of the Page - 302 -
302 Kommentare
ungestört. Nach der Übergabe an die Barmherzigen Brüder kamen die ehemaligen In-
sassen des Eisenstädter Spitals 1759 nach Forchtenau, wo sie im Gemeindehaus (dem an
die Gemeinde übergebenen Haus des Wiener Tuchhändlers Georg Wagner) Unterschlupf
fanden (heute Hauptstraße Nr. 55). Fürst Paul Anton Esterházy (1711–1762) wollte im
Forchtenauer Spital (anders als in Eisenstadt) geordnete Verhältnisse walten wissen, damit
„in dem neuen Spital die vorhin zu Eisenstadt gewesene Sauerey nicht gestattet, sondern
die saubrigkeit, gute Ordnung, auch fried und einigkeit“ Einzug halten sollten6. Der Fürst
ließ das Forchtenauer Spital vom fürstlichen Architekten Johann Ferdinand Mödlhammer
(weiters Johann Birbämer, Zimmermeister; Georg Schlägel, Tischlermeister, etc.) um-
bauen (etwa Lieferung von 26 Bettstatten von Johann Michael Popp aus Zemendorf)7.
Das Spitalgebäude war als eine rechteckige Vierkantanlage mit zwei Geschoßen konzipiert
(Ausmaße 20 mal 30 Meter) und verfügte über einen rund sieben Meter langen ebenerdi-
gen Anbau am Ostflügel. Im Hof stand ein Brunnen, vom Hof führten hölzerne Stiegen
zu einem vor dem Süd-, Ost- und teilweise auch dem Westtrakt des Gebäudes liegenden
Balkon. In jedem Längstrakt befand sich auch ein Klosett. Eine große Männerkammer
beherbergte zwölf Männer, eine große „Weiberkammer“ zehn und eine kleine Kammer
drei Frauen. Daneben gab es nach dem hier edierten Inventar ein Kranken- und ein Ta-
felzimmer (nach Geschlechtern getrennte Tische), eine Küche, eine Speisevorratskammer,
eine Mehl- und eine Krautkammer sowie eine Arrestkammer, eine Hausknecht- und ein
Spitalpflegerzimmer. Im Jahr 1779 befanden sich exakt zwölf Männer und zwölf Frauen
(Altersdurchschnitt über 60 Jahre) im Forchtenauer Spital, wobei die über Supplikation
an den fürstlichen Grundherrn erfolgte Aufnahme die Versorgungsstrategie verdeutlicht8:
Im oben genannten Jahr stammten zwölf Personen aus der Grundherrschaft Eisenstadt,
vier aus der Herrschaft Lackenbach-Landsee, zwei aus der Herrschaft Lockenhaus und je
eine Person aus der Grundherrschaft Kittsee, Schwarzenbach, Güns und nur drei Perso-
nen aus der Grundherrschaft Forchtenstein selbst, so dass man das Forchtensteiner Spital
als eine überregionale, auf die gesamte Grundherrschaft der Esterházy bezogene Versor-
gungseinrichtung ansprechen kann.
Im Vergleich zum Forchtenauer Spital waren die übrigen grundherrschaftlichen Spi-
täler der Esterházy deutlich kleiner dimensioniert. Der esterházysche Verwalter von Pött-
sching (seit 1735 wieder unter der Herrschaft der Esterházy) Matthias Peyritsch erfuhr
1760, dass eine alte arme wittib namen Ostermayerin in der grösten winterskälte auf dem
gemeinhausboden erfrohren und todter gefunden und eine andere arme elende weibs persohn,
so gegen zwey jahr lang contract ware, bey dem Joseph Gämel in einem stallwinckel, weilen sie
niemand in ein zimmer zu liegen gestattet, verstorben war9. Der Verwalter veranlasste 1761
die Gemeinde zur Gründung eines Spitals, das unweit der Kirche von Grund auf neu er-
baut wurde. Das kleine Pöttschinger Spital (ein großes Zimmer mit vier Betten, ein kleines
Zimmer mit zwei Betten) beherbergte in den 1770er Jahren sechs verarmte Untertanen.
Das im 18. Jahrhundert recht bescheidene Lockenhauser Spital (15 Meter lang und
ca. acht Meter breit) lieget gegen mittag von der kloster kirchen [Augustiner], wenn man in
6 Pöschl, Forchtenstein 35.
7 Schmeller-Kitt, Die Kunstdenkmäler Mattersburg 195f. (Abbildung 309). Siehe den Grundriss
des Spitals bei Perschy, Bollwerk Forchtenstein, 179f. (Abbildung), dort auch eine genaue Beschreibung des
Gebäudes.
8 Zum Folgenden Prickler, Forchtenau.
9 BLA, FA Esterházy, Repositorium 82, Fasz. C (Spitäler Neckenmarkt, Pöttsching, Forchtenau,
Güns/Köszeg), Nr. 41–46 [MF 115].
back to the
book Spital als Lebensform - Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1"
Spital als Lebensform
Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Spital als Lebensform
- Subtitle
- Österreichische Spitalordnungen und Spitalinstruktionen der Neuzeit
- Volume
- 1
- Authors
- Martin Scheutz
- Alfred Stefan Weiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79639-8
- Size
- 17.5 x 24.7 cm
- Pages
- 432
- Category
- Medizin