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der Kriegsgöttin und den veränderlichen Neigungen einheimischer
und fremder Völler?
Auf diese Frage wurde, so viel mir bekannt, nur von einigen
Wohlrednern, denen sowohl die Lage des Herzogtums Österreich
als das Blut der Habsburger Dynastie besondere außergewöhnliche
Vorzüge zu besitzen schienen, die dieselben zur Herrschaft über die
Welt beriefen, eine mehr oder weniger mystische Antwort gegeben.
Ich werde mich mit dem Widerlegen solcher Ansichten nicht be-
schäftigen; ich bin in der Geschichte dieser Länder nicht ganz un-
bewandert, habe aber nie bemerkt, daß die einstigen »äftgort»
LHorum" an sich selbst eine geheime Anziehungskraft ausgeübt
hätten, oder daß das hohe Haus Habsburg schon im XIV Jahr-
hunderte irgend eine Aussicht auf Dasjenige gehabt hätte, was
ihm erst das XVI gebracht hat. Freilich wurde dieses Haus, wie
nicht minder auch andere, durch Gottes Vorsehung zur Herrschaft
über verschiedene Länder und Völker geführt: doch geschah dies
auf natürlichen Wegen und nicht etwa durch das Mitwirken von
fast wunderbaren Kräften.
Es ist ein fast allgemeiner Zug der Wissenschaft der jetziger
Generation, daß sie bei der Erwägung politischer Gebilde de,
Gegenwart ihr Augenmerk stets nur zum Westen kehrt und nm
allzusehr vergißt, welch' ungeheueren Einfluß einst der Osten auj
die Geschicke der Menschheit im. Allgemeinen und Luropa's im
Besonderen ausübte. Kamen ja doch alle die weltgeschichtlichen
Umwälzungen, von der großen Völkerwanderung bis zur Errichtung
der asiatischen Herrschaft in Griechenland, der Wiege unserer
Eivilisation, aus dem Osten, aus Asien zu uns.
Wenn man bedenkt, welches furchtbare Grauen die einst
berüchtigte, heutzutage bereits ganz verschollene »vagin» zentiuw",
verursachte, so wird man zugeben müssen, daß die im Osten
Europa's wohnenden Böller, meistentheils Slaven, eine nicht minder
bedeutende Aufgabe vor sich hatten, als die Romanen und Germanen,
und dass sie eine nicht weniger wichtige civilisatorische Mission
erfüllten, wenn sie in mehr als tausendjährigem Kampfe alle diese,
der christlich europäischen Cultur von jeher ungünstigen, ja feind-
lichen Elemente niederwarfen und auf immer unschädlich machten.
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Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918