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Doch ist nicht hier der Ort, diesen Gegenstand ausführlicher zu
behandeln; ich wollte nur andeuten, daß auch die Bildung des
österreichischen Staates, wenigstens mittelbar, ihren Anlaß in einer
aus Asien gekommenen Bewegung fand, nämlich in dem gewalt-
samen Eindringen der Türkenmacht und Herrschaft nach Europa.
Nach dem Falle Konstantinopels 1453 trat an Europa die
Notwendigkeit heran, dieser Sündfluth einen neuen und festeren
Damm entgegenzusetzen, als es das moralisch längst verkommene
Byzantinische Reich gewesen. Dies wurde die erste und Haupt-
ursache der Entstehung des österreichischen Reiches (dem freilich
dieser Name nicht allsogleich beigelegt wurde). Wäre es entweder
den byzantischen Griechen, oder dem damaligen jungen serbischen
Kaiserthum Duöans, oder endlich dem ungarischen Reiche Mathias'
Corvinus' gelungen, die Türken wieder aus Europa zu vertreiben,
ich bin fest überzeugt, daß die Völler der drei Dynastien, der
ungarischen, böhmischen und österreichischen, sich entweder nie frei-
willig vereinigt Hütten oder daß wenigstens ihre Vereinigung nicht
von Jahrhunderte langer Dauer gewesen wäre.
Wohl weiß ich, wie viele Umstände und Ereignisse, was für
widerstrebende Gelüste sich der Bildung und Consolidirung dieses
neuen Staates in den Weg stellten; ich weiß aber auch, daß der
endliche Erfolg und Sieg nicht so sehr dem Verdienste einzelner
Personen (das ich übrigens nicht in Abrede stellen will), sondern
vielmehr dem zugeschrieben werden muß, was die Neuzeit die
Gewalt der Dinge (Ia toree äe» cliosos), die unumgängliche
Nothwendigleit, zu nennen pflegt. Hatten ja auch diejenigen, die
keineswegs Freunde des Hauses Habsburg waren, zu seiner Unter-
stützung beigetragen, da es Führer war im Kampfe gegen den
gemeinschaftlichen Feind, der dem gesammten geistigen Leben der
westlichen Völker mit Verderben drohte; und wenn in den christ-
lichen Kirchen von fast ganz Europa Gebete zu Gott um Segen
und Heil für die Waffen des Hauses Habsburg, das unter dem
Zeichen des h. Kreuzes gegen den Halbmond kämpfte, emporstiegen,
so erhielt dadurch nicht nur die regierende Dynastie, sondern auch
der Verband der ihr unterthanen Länder auf lange Jahrhunderte
eine höhere Weihe.
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Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918