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ftenthmn gegen den Andrang des Mahomedanismus vertheidigen
und andererseits der Ausbreitung der sogenannten Ktrchenrefor-
mation einen Dazum sehen. Die Solidarität des Grundsatzes
der Autorität sowohl in kirchlicher als in staatlicher, ja sogar
wissenschaftlicher Beziehung, brachte es mit sich, daß sich Oester-
reich ganze Jahrhunderte hindurch (die kurze Josefinische Periode
ausgenommen) gegen den Fortschritt der modernen Richtung sowohl
in der Kirche und der Civilverwaltung als in der Bildung und
der Cultur im Allgemeinen verschloß und verschanzte; von Auto-
ritilts wegen wurde den Völkern bemessen, wie und was sie zu
glauben hätten, wie ein jeder denken und sich zu benehmen habe;
die Polizei und die Lenfur sorgten dafür, daß der Wille und der
Verstand des Menschen aus den vorgeschriebenen Bahnen nicht
heraustrat. Das Wesen und charakteristische Merkmal eines solchen
Systems war die reine Negation; der Geist wurde streng am
Zaume gehalten, damit ihn etwa kein gefährlicher Uebermuth befalle;
der Baum des menschlichen Wissens und Wirkens durfte sich nicht
frei entwickeln und natürlich emporwachsen, sondern nur insofern
sich erheben, als es, wie weiland in den französischen Gärten, die
Scheeren und Schnüre des Gärtners gestatteten. Der so lang-
jährig eingezwängte Geist mußte endlich entweder verdumpfen und
Hinwelten, oder durch eigene, innere Kraft die Bande brechen, sich
vom Joche befreien und die Bahn des Fortschrittes betreten. Wie
sich diese Umwälzung in Oesterreich in den großen Stürmen des
Jahres 1848 gestaltete, lebt noch in frischer Erinnerung bei allen
unserer Zeitgenossen. Von jener Zelt an hörte jene Negation und
«eaction auf, das wichtigste Merkmal und ein Maßstab für die
«fterr. Regierung zu fein, wiewohl es unter dem Minister Bach
auf eine kurze Zeit schien, daß dieselbe zu ihr wieder zurückkehren
wolle; denn neben dem beibehaltenen Grundsatze der Autorität (die
freilich in jedweder menschlichen Gesellschaft stets und absolut noth-
wendig ist) kam der Grundsatz der freien Verstandes- und Wil-
lenSentschließung des Menschen in solchem Grade zur Geltung,
und der Nnfiuß und die Wirkung der modernen Eultur erwiesen
sich so mächtig, daß die Rückkehr zur Vergangenheit sich nur als
scheinbar und zeitweilig erweisen mußte.
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Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918