Page - 7 - in Österreichs Staatsidee
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wiederkehren werde, in der bald die Hierarchie, bald die hohe Aristo-
kratie, bald die militärischen Würdenträger und Bureaukraten unter der
Aegide und dem Namen des Herrschers ihren Willen geltend
machen könnten. Österreich sollte ein Eldorado dieser Classen
fein, -die, da sie in anderen Ländern immer mehr an Boden ver-
lieren, zu ihm, als dem letzten Zufluchtsort ihre Augen kehren.
Prüfen wir zunächst, welche Aussichten die zuletzt genannte
Partei hat. Es läßt sich nicht läugnen, daß, so wie die Sachen
jetzt stehen, ihre Wünsche und Hoffnungen auf eine Zeit realifirt
werden könnten; es bedürfte dazu, wie mir scheint, nichts mehr
als eines einfachen Comandos von oben. Dennoch glaube ich
nicht, daß sich heut zu Tage irgend ein Staatsmann vorfinden
möchte, der zu einem solchen Versuche rathen würde. Ich glaube
zwar nicht (selbst ohne Rücksichtnahme auf die Heiligkeit staats-
rechtlicher Verpflichtungen), daß man in Wien auf so einen Rath
ebenso antworten würde, wie man auf die Nachschlage PolignacS
in Paris geantwortet hat; ich weiß wohl, daß man auch in
Wien davon überzeugt ist, daß zur Durchführung und Erhaltung
eines solchen Zuftandes vor allem der bekannte Montecuculische
oervu8 rsrum ßorvuskruN nothwendig wäre, der sich bei einer
Staatsschuld von drei Milliarden, bei bis zur fast unerträglichen
Höhe getriebenen Steuern und Abgaben und bei einem jährlichen
Defizit von 50 bis 100 Millionen schwerlich herbeischaffen ließe.
Aber es läßt sich auch ohne Rückficht auf Staatstlugheit oder
Thorheit behaupten, daß der alte Patriarchale Absolutismus sowie
der Feudalismus sich bereits überlebt haben und im modernen
Europa unter die Unmöglichkeiten gehören, da ja im Leben der
Völker alle die Wurzeln, aus denen diese Institutionen ihre Lebens-
kraft schöpften, immer mehr und mehr absterben. In der öffentli-
chen Meinung der gesammten gebildeten Welt zeigt sich ein
unläugbarer Fortschritt zum Besseren. Wiewohl der wichtige und
wesentliche Unterschieb zwischen „Freiheit" und „Herrschaft" noch
immer sowohl Einzelnen als ganzen Nationen nicht geläufig genug
zu sein scheint, so verstummen doch immer mehr und mehr jene
Philosophen, die da lehrten, daß, gleichwie die Begriffe des Tages,
Lichtes und der Wärme nur durch die Gegensähe der Nacht,
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Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918