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ein aufmerksameres Lesen meines Franlfurter Sendschreibens reicht
allein hin und könnte wohl Jedermann überzeugen, daß in ihm
bereits der Keim aller derjenigen politischen Grundsätze deutlich
enthalten fei, die ich in späteren Jahren scharfer und eingehender
entwickelt und vertheidigt habe. Wenn politische Weisheit in Wahr-
heit barm besteht, daß der Mensch je nach geänderten Umständen
auch feine Grundsätze und seine Überzeugung ändere, so gestehe ich
offen, daß ich ein folches Lob nie für mich in Anspruch nehmen
kann. In Angelegenheiten von geringerer Wichtigkeit füge ich mich
häufig der Meinung Anderer, wie es ja die erwünschte Eintracht
und die Regel einer constitutionellen Majorität nothwendig erheischt:
was jedoch die Grundwahrheiten und Principien anbelangt, von
deren Durchführung, nach meiner Überzeugung, das jetzige und
künftige Heil meines Volles abhängt, bin und bleibe ich stets
unerschütterlich derselbe, so lange ich meines Verstandes mächtig
sein werde. Die Folge davon ist, daß ich in meinen Erörterungen
häufige Wiederholungen kaum vermeiden kann, da ja die von Gott
bestimmten und natürlichen Grundverhältnisse unseres Staates sich
keineswegs immer mit den faltischen ändern, die in ihm nur durch
menschlich wandelbaren Willen eingeführt wurden.
Damit jedoch der Sinn der obenerwähnten Worte fo, wie ich
ihn bereits im I. 1848 aufgefaßt habe, vollkommen klar und
deutlich werde, erlaube ich mir eines historischen Faktums zu ge-
denken, das, wie ich glaube, bisher unbekannt, obwohl nicht ohne
Bedeutung ist. Es dürfte kaum nöthig fein, alle Uneinigkeiten und
Zwiste zu schildern, die im Monate September des genannten
Jahres zwischen der Regierung und den Völkern, namentlich
zwischen den Magyaren und Deutschen einerseits und den Slaven
im Allgemeinen, besonders aber den Kroaten andererseits vor-
herrschten. Das damalige Ministerium bekannte sich zu den von
Slaven (zu der Zeit feiner wenn nicht einzigen, so doch wichtig-
sten Stütze am Reichstage) vertretenen Grundsätzen, namentlich
zum Grundsatz der Gleichberechtigung der Nationen, oder, was
wohl dasselbe war, zur Emancipation der Slaven und Romanen
von der Oberherrlichkeit der Magyaren und Deutschen; in der
That jedoch wollte es beiden Parteien willfährig sein, und unt
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Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918