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ausschließlich 1) Angelegenheiten des österreichischen Kaiserhauses,
2) die auswärtigen Reichsangelegenheiten, 3) Krieg und daher auch
die Armee und die Staats-Marine, 4) Reichsfinanzen und Reichs-
schulden, 5) Handel, und zwar der ausländische und der inländische
Binnenhandel und daher auch alle Zollangelegenheiten und die
zum Handel nöthigen Communicationsmittel. Für die verfassungs-
mäßige Behandlung dieser Angelegenheiten wird man also sowohl
besondere Regierungsorgane, besondere Reichsministerien, als einen
centralen Reichstag haben müssen.
Alle übrigen Angelegenheiten, wie z. O. die politische Landes-
verwaltuyg, das niedere und höhere Schulwesen, die gesammte
Justiz usf., gehörten nach dieser Anschauung in den Wirkungskreis
der Reg ierungen und Parlamente einzelner Länder.
Wer sollte nun nicht sehen, daß in diesen Sachen weder im In -
teresse der Macht und Einheit des Reiches, noch im Interesse der
Völker eine vollständige Uniformität Roth thue? wer könnte es
lüugnen, daß das erdichtete Bedürfniß einer solchen Uniformität
allem Anscheine nach eher in der Sucht nach Herrschaft und Prä-
ponderanz einiger Bureaukraten, die danach allen Seiten hin gnä-
dig oder ungnädig ihre Macht äußern möchten, als in der natür-
lichen Beschaffenheit der Dinge begründet fei? Wird ja in der
Theorie der Politik von competenten Männern sogar das oft in
Zweifel gezogen, ob die Unterrichtsangelegenheiten überhaupt einen
Gegenstand der staatlichen Obsorge und Verwaltung bilden sollen.
Die Einrichtung der Schulen sollte aber überall nicht nach idealen,
ausländischen Mustern (die ich an und für sich natürlich nicht ver-
werfe) sondern nach localen Bedürfnissen, nach dem jeweiligen
Grade der Geistesentwlckelung, der Sprache und Gesittung, der
Eonfession und Beschäftigung der Einwohner getroffen werden;
daß aber darin in den verschiedenen Ländern Österreichs eine un-
endliche Mannigfaltigkeit vorherrscht, wird wohl Niemand in Ab-
rede stellen wollen, zumal es eine ganz leere Behauptung wäre,
daß durch solche gleichförmige Verwaltung die Mannigfaltigkeit
sich vermindern soll, da die einzige Folge eines solchen Verfahrens
nur die sein kann, baß viele Länder und Völler, auf die jene Uni-
form nicht paßt, in ihrer Geistesentwickelung auf ewig zurück bleiben.
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Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918