Page - 64 - in Österreichs Staatsidee
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Pest aus nimmermehr anpreisen, da ja gegen sie dieselben Gründe
giltig wären, die man gegen die Wiener Centrallsation und den
Dualismus überhaupt geltend macht. Indessen kann man diese
Fragen nicht billig entscheiden, ohne die betreffenden Partelen ge-
hört zu haben. Es ist unzweifelhaft, daß wenn auch die ehemali-
gen Generallandtage der Linder der böhmischen Krone wieder ins
Leben treten sollten, Böhmen und Mähren feine besonderen bsh«
mischen und mährischen Landtagsfitzungen gewiß nicht aufgeben
wird, da ein jedes Land sein Vermögen für sich wirb behalten
wollen; etwas Ähnliches wird nun wahrscheinlich auch in anderen
Gruppen geschehen. Daher wird es nöthig sein, daß sich die ein-
zelnen Länder darüber wohl berathen und ins Detail feststellen,
was sie unter einander gemeinschaftlich und was sie jedes für sich
refervirt wissen wollen. Die Hauptsache aber ist, daß eine jede
Gruppe ihren eigenen Kanzler oder Minister bei der centralen
Reichsregierung haben soll, daß die Gesetzgebung in Betreff der
inneren Verwaltung, des Unterrichts und der Iustizgebahrung usf.
nicht nur schneller, sondern den verschiedenen Bedürfnissen der
Nationen angemessener, als dies bisher der Fall war, erledigt und
leiner Nationalität mehr Unrecht zugefügt werden wird, da nun-
mehr ein jedes Voll natürlichen Antheil am öffentlichen, parlamen-
tarischen Leben wird nehmen können.
Die Ungarn behaupten, daß sie bei der Neugestaltung Österreichs
nothwendig am historischen Boden und am Grundsätze der Rechts-
continuität festhalten müssen: wollten sie dieselbe einmal verlassen,
so könnte ihnen dasselbe geschehen, was dem dem Erdboden ent-
rückten Nntäus geschah, daß sie nämlich gleichsam in der Luft po-
litisch erwürgt und erdrückt werden könnten; und es kann ihnen,
wenn auf die von Wien so häufig gemachten Versuche Rückficht
genommen wird, leider nicht Unrecht gegeben werden. Aber man
sollte wohl auch das berücksichtigen, daß sie im I. 1848 von der
Regierung Eoncessionen erzwangen, die sich mit der Macht und
Einheit des Reiches nicht vertragen, daß sie in dem darüber ent-
standenen Streite bis zur völligen und unverhüllten Negazion des
Reiches (in Debreczin) vorschritten und daher selbst die ersten
waren, die den historischen Boden verließen und die Rechtscontl-
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book Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918