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ungarische Krone nicht Ungarn, und die böhmische nicht Böhmen allein
vertheidigen, wenn Fremde auf sie einen Angriff machen sollten.
Es kann im Interesse Aller Niemanden erlaubt werden, daß er
etwa nach Laune und Wllltühr den Verpflichtungen nicht Genüge
leiste, die ihnen allen obliegen, oder daß er sich dieselben leicht-
sinnig selbst leichter mache. Daher ist es unumgänglich nothwendig,
daß die Reichswehr Gegenstand einer gemeinschaftlichen Verhand-
lung und Erledigung bleibe und daß diese Erledigung für alle
bindend fei; bringt ja schon die Idee einer freien Verfassung von
selbst eine solche Bedingung mit sich. Man vergißt, daß auch die
Länder der böhmischen Krone vor dem I. 1848 verfassungsmäßig
das Recht besaßen, jedes Jahr die Steuern und das Kriegsbudget
zu bewilligen, obwohl sie, vertrauend den k. l. Reversen, daß ihre
Nachgiebigkeit ihrem Rechte keineswegs Abbruch thun werde, nur
selten von ihm Gebrauch machten; nun aber bringen sie dieses
Recht zum Opfer der Einheit und Machtstellung des Reiches, da
sie davon überzeugt sind, daß es dringend Roth thue. Ähnlich
sollten auch die Ungarn verfahren. Der Föderalismus wird ihre
Rechte gewiß nicht schmälern, sondern sie noch vermehren. Sie
wissen es wohl, wie gering der Einfluß war, den ihr Landtag
z. B. auf äußere Angelegenheiten, auf Zollsachen usf. hatte, bei
welchen ja früher meistentheils der König allein entschied, jetzt
aber auch sie verfassungsmäßig gemeinschaftlich mit Anderen im
Berhültniß zur Große und Macht ihres Königreichs verhan-
deln sollen.
Kroatien bietet in unseren Tagen das eigenthümliche Schau-
spiel dar, daß darin für alle drei politische Systeme in Österreich
agitirt wird: für den Centtalismus, Dualismus und den Föde-
ralismus. Der centralistische Geist weht aus Wien vermittelst
der höheren Beamten, der dualistische aus Pest mittelst einigen der
angesehensten Edelleute; beide sind bemüht den föderalistischen Geist
zu unterdrücken, der sich aus den natürlichen Verhältnissen ihrer
Heimat ergiebt. Im Sinne gewisser Politiker, iie den Grad der
politischen Reife eines Voltes nach der Zahl der Parteien be-
stimmen, welche sich wechselseitig befehden, wäre dieser Umstand für
die Eroaten ein wahrer Gottessegen, den ich wenigstens ihnen vo»
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Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918