Page - 75 - in Österreichs Staatsidee
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an der Prager Universität, oder ein Docent zu Vorträgen bietet,
nicht nur vom altdeutschen fondern auch vom altböhmischen Recht,
neben Eile von Repgow auch Andreas von Duba und Cornelius
von Vöehrd behandeln zu wollen, man uns von Wien nicht immer
kurzweg nur negativ antworte u. f. f.
Zum Beweise, daß meine Theorie von der Gleichberechtigung
falsch sei, wurde von deutscher Seite irgendwo auch ein unbehol-
fenes Beifpiel von der Familie eines Industriellen angeführt, der
ja feine Hausgenossen, Frauen und Kinder, weder mit den Lasten
noch mit den Vortheilen des Geschäftes gleich, fondern nur nach
ihren Fähigkeiten und Verdiensten betraue. Ist denn das Leben
der Nationen ein Geschäft oder ein Amt, zu dessen ersprießlicher
Führung nur persönliche Begabung und Erfahrung nöthig ist?
oder ist etwa das Recht des Menschen zur Bildung, zum Genuße
der bürgerlichen Rechte u. s. f. erst durch einen willlührlichen
Richtspruch irgend eines Menschen bedingt?
Noch thörichter ist die Prätenflon der Magyaren, in ihren
Ländern deswegen herrschen zu wollen, daß sie dieselbe vor tau-
fend Jahren erobert haben. Haben sie ihr Recht, wenn sie es
durch das Schwert überhaupt erlangen konnten, nicht fchon längst
wieder durch das Schwert verloren, da sie feltdem Hundertmals
aufs Haupt gefchlagen wurden? haben sie sich felbst vom Joche
der Türken befreit? oder schloßen sie ihren letzten nationalen Kampf
bei Vilagos als Sieger? Ich habe jedoch schon früher gesagt, daß
Discusfionen über das Recht der Gewalt nicht mit der Feder ge-
führt werden, weswegen ich auf eine weitere Erörterung diefes
Gegenstandes verzichte.
Endlich führt man als Gegenbeweis gegen die praktische
Durchführung der nationalen Gleichberechtigung noch an, daß es,
wie man fagt, unumgänglich nothwendig fei, daß sich Österreich
feines Bundes mit dem deutschen Reiche nicht begebe, mit dem es
ja stehe, und ohne der es nicht nur als Großmacht, fondern viel-
leicht überhaupt zu exlstiren aufhören würde (sieh' „Presse" vom
20 April 1865). Ein sonderbareres Kompliment kann man für-
wahr der Großmacht Österreich nicht machen, als wenn man fagt,
daß die Bedingungen i^er Existenz nicht in ihr fondern außer ihr
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book Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918