Page - 77 - in Österreichs Staatsidee
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nicht germllnlstreu oder mägyarisiren lassen will, so werden wir
Panslavisten nach Millionen zählen und ganz Österreich wird das
gelobte Land des Panslavismns »erden — freilich eines Pansla-
vlsmus, wie auch wir ihn uns nicht wünschen möchten.
Wir bemerken leider, daß der nationale Egoismus der herr-
schenden Stömme diesseits und jenseits der Leitha in den letzten
Tagen immer nackter und rücksichtsloser auftritt, wir lesen von
Verhandlungen deutscher und magyarischer Politiker, wie sich die-
selben unter die RelchSverwaltung auf eine Art theilen, als ob es
in Österreich keine Slüven gäbe; von beiden Seiten hören wir
freudige Rufe von Schaaren ertönen, die bereit sind in das er-
sehnte Paradies des Dualismus einzuziehen; und unsere noch so
berechtigten Hoffnungen auf einen energischen und dauernden Wider-
stand der Regierung gegen solche Tendenzen könnten doch am Ende
(was freilich Oott verhüten möge) durch die That nicht gerecht-
fertigt werden. In diesem Falle bleibt uns nur das eine und
letzte Wort: Sollte der gerade Gegensatz der modernen Staatsidee
Öfterreichs durchgeführt werden; sollte dieses aus verschiedenen
Böllern zusammengesetzte und in seiner Art einzige Reich nicht
Allen gleiche Gerechtigkeit, sondern Macht und Herrfchaft den Einen
über die Übrigen bieten wollen; sollten die Slaven wirklich für
eine niedrigere Race und, wie bereits bemerkt wurde, nur für das
Regierungsmaterial für zwei andere Völker erklärt werden: dann
tritt auch die Natur in ihre Rechte ein und ihr unausbleiblicher
Widerstand wird den häuslichen Frieden in Unfrieden, Hoffnung
iu Verzweiflung umwandeln und Kämpfe und Streitigkeiten her-
vorrufen, deren Richtung, Umfang und Ende Niemand absehen
kann. Der Tag, an dem der Dualismus proclamirt wird, wird
zugleich durch unwiderstehliche Naturnothwendigleit der Geburtstag
des Panslavismus in feiner am wenigsten erfreulichen Gestalt
werden; als Pathen werden ihm die Väter des Dualismus stehen.
Was dann folgen wird, kann sich der Leser selbst vorstellen. Wir
Slaven werden dem zwar mit gerechtem Schmerze aber ohne Furcht
entgegensehen. Wir waren vor Öfterreich da, wir werden es auch
nach ihm sein.
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book Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918