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so
nämlich zur Anerkennung der Gleichberechtigung der Nationalisten,
wenigstens bei uns in Österreich schon in vorhwein anerkannt, ja
zum Grunddogma im ganzen Reiche proclamirt wurde. Es kann
also Streit nur in dem Falle entstehen, wenn der äo jurv bereits
anerkannte und angenommene Grundsatz der Gleichberechtigung
äs keto irgend wie verletzt würde.
Was ist aber, wenn wir in die Vergangenheit zurückblicken,
die allgemeine Geltung des Grundsatzes der Gleichberechtigung in
Österreich anderes, als die Emancipation des stavischen und rnm«-
nifchen Elementes von der Oberherrlichkeit der Deutschen und
Magyaren? (von den Zuständen in Istrien, Dalmatien und Ga-
lizien können wir diesmal, da sie weniger ins Gewicht fallen, ab-
sehen). Die Deutschen und Magyaren waren bis zum Mlrz des
I. 1848 die herrschenden, Slaven und Rumänen die dienenden
Böller in Österreich; jene waren die Unterdrücker, diese die Unter-
drückten. Wenn sie also durch die Proclamirung der Conftitution
im Mlrz 1848 wirklich, wie sie es auch behaupteten, Freihei t
wollten, so mußten sie confequenter Weife der bisher ungerecht
ufurpirten Oberherrlichkeit entsagen, ebenso wie es die Großgrund-
besitzer mit ihrer Oberherrlichkeit über ihre Unterthanen gemacht
haben. In der Theorie thaten es die Deutschen allfogleich, obgleich
die wertthltlge Durchführung nur langsam von Weitem nachhwlt;
die Magyaren haben es jedoch in der Praxis und Theorie ver-
weigert, was sie nun, wie bekannt, schwer büßen müssen.
Freiheit im Allgemeinen ist nur dort möglich, wo alle Mit-
glieder einer Gesellschaft gleiches Recht genießen, wo Niemand
geborener Herr, Niemand geborener Knecht irgend eines Andern
ist, wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist, daß zur Erreichung der
gesellschaftlichen Zwecke die Einen an der Spitze stehen, leiten und
gebieten, die Anderen aber folgen und sich leiten lassen d. h. ge-
horchen. In freien constitutionellen Staaten find die Gesetze für
alle Bürger gleich bindend; was einem Recht ist, muß es auch
dem Anderen sein und Niemand darf außer den allgemein giltlgen
Gesetzen und Rechtsnormen stehen. Kurz, Eonstitution ist nur
die praktische Durchführung jenes bekannten und ewigen Prwcipe»,
aus dem sich alles Recht und alle Gerechtigkeit ergiebt: Wa« bn
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Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918