Page - 98 - in Österreichs Staatsidee
Image of the Page - 98 -
Text of the Page - 98 -
98
aus den erfahrensten und geachtetsten Männern aller Nationen
Österreichs zusammengesetzt wäre und vielleicht in einen engeren,
aus in Wien ansäßigen Mitgliedern, und einen weiteren Rath,
dessen Mitglieder in alle Länder vertheilt würden, getrennt werden
könnte, würde verpflichtet sein, bei allen nöthigen Vorfällen sowohl
den Ministern als dem Herrscher selbst mit ihrem Gutachten an
die Hand zu gehen, jedoch unter der Bedingung, daß es dem
Kaiser und den Ministern vollkommen freistehe, nach eigenem Er-
messen diesen Rath zu befolgen oder zu verwerfen. Dies würde
wohl mehr als viele andere Vorkehrungen der Einheit, Macht und
Wohlfahrt des Reiches förderlich sein, würde seine innere und
äußere Politik festigen, ohne daß es dem Princip des Constitutio-
nalismus und der Freiheit der österreichischen Böller irgendwie
Abbruch thun möchte.
Zuletzt sehen wir uns noch bemüssigt, auf jenen Vorwurf zu
antworten, den man den Gegnern der Centralisation in Öfterreich
gewöhnlich und am häufigsten zu machen pflegt. Die österreichische
Regierung, sagt man, muß stark und energisch, daher muß sie vor
Allem an einem Orte und in einer Hand concentrirt sein. Zwar
wissen wir nicht, ob auch Der immer stark ist, der sich mit Natur
und Recht in einen Kampf einläßt: aber wir zweifeln nicht, daß
er in einem solchen Kampfe stets unterliegen muß. Indessen scheint
es, daß unsere Gegner, wenn auch wider Willen, bei solchen Reden
zwei wesentlich verschiedene Begriffe verwechseln; sie reden nämlich
von einer starken Regierung und denken dabei doch nur an eine
bequeme Regierung. Wenn dem so wirklich ist, so wollen wir
ihnen nicht vollends widersprechen, nur glauben wir, daß Be-
quemlichkeit kaum unter die ersten Anforderungen einer conftl-
tutionellen Regierung gehören dürfte. In der Leitung des Staates
ist nur der Despotismus und die Barbarei bequem; erleuchtete
und freisinnige Regierungen pflegten von jeher den unzähligen
staatlichen und bürgerlichen Interessen fleißig Rechnung zu tragen,
und konnten und wollten daher ihre Bequemlichkeit niemals für eine
Sache von vorherrschender Wichtigkeit im Staatsorganismu« erklären.
^ , den 2 1 December 1849.
Palaclh.
back to the
book Österreichs Staatsidee"
Österreichs Staatsidee
- Title
- Österreichs Staatsidee
- Author
- Franz Palacký
- Publisher
- I. L. Kober Verlag
- Location
- Prag
- Date
- 1866
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 14.7 x 21.5 cm
- Pages
- 110
- Categories
- Geschichte Vor 1918