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12125.
Juni 1848
etc. es wurde nun festgesetzt, daß alle 8 Antragsteller (möring hat zurück-
gezogen, also Zitz, Blum, schoder, mohl, mayern, vincke, Welcker und der
Ausschuß) sich heute Abend mit soiron, der die Abstimmung zu leiten hat,
verständigen sollen wegen der reihenfolge der Abstimmung und der etwa-
igen modificationen resp. verschmelzung ihrer Amendemens. montag wird
dann die Abstimmung erfolgen.
Wenn, wie ich nicht zweifle, erzherzog Johann acclamirt wird, so werde
ich wohl an der spitze einer deputation nach Wien gehen, denn dort ist nun
erzherzog Johann als alter ego des kaisers, da erzherzog franz carl aus
schmählicher furcht in innsbruck geblieben ist! ich habe diesem auf das
ersuchen schmerlings heute geschrieben, um ihm die nothwendigkeit vor-
zustellen, schleunigst nach Wien zu gehen und erzherzog Johann dort abzu-
lösen.1
[frankfurt] 25. Juni
die conferenzen etc. haben heute den ganzen tag gedauert, die sachen ste-
hen ziemlich schlecht, und die rede gagerns ist ein wahres unglück gewe-
sen, hätte er den momentanen eindruck benützt, um den erzherzog Johann
sogleich entweder selbst vorzuschlagen oder durch einen compère, d.h. ei-
nen andern Abgeordneten proclamiren zu lassen, so wäre es gewiß durch-
gegangen, so aber blieb er auf halbem Wege stehen, und nur die linke hat
den vortheil seiner rede, diese hat sich nämlich seines vorschlags, daß die
Wahl durch die versammlung geschehe, bemächtigt und seinen Zusatz: daß
eine fürstliche Person, namentlich erzherzog Johann gewählt werde, weg-
gelassen. sie hat sich nun ganz (also Zitz, Blum, mohl und schoder) auf den
Antrag dieses letztern vereinigt mit den Zusätzen: daß die Wahl frey durch
die versammlung geschehe, daß der Präsident (nicht reichsverweser) ver-
antwortlich sey, und daß der Bundestag sogleich aufzuhören habe. es ist
wieder dasselbe manöver, welches ihr bey dem raveaux’schen Antrage so
gut gelang: Anfangs sehr vieles zu begehren und sich am ende mit etwas
weniger zu begnügen und sich dadurch den Anschein einer concession zu ge-
ben, während sie doch mehr erhält, als sie vielleicht selbst hoffte. nur hoffe
ich, daß es ihr dießmal nicht so wohl gelingen wird.
es wird morgen wohl eine sehr stürmische sitzung werden. Zudem hat
soiron die fragestellung so untereinander geworfen, daß schon darüber viel
1 Am 25.6.1848 schrieb Andrian seiner schwester gabrielle (k. 114, umschlag 662): „erzher-
zog Johann wird berufen werden, und ich dürfte wahrscheinlicherweise in 2–3 tagen an
der spitze einer großen deputation nach Wien abgehen, um ihn zu holen. doch sage davon
vor der hand Niemandem etwas davon. kommen muß er, und statt seiner muß erzherzog
franz carl oder stephan nach Wien, da hilft nichts.“
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume II
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- II
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 716
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien