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Juli 1848
garisch-croatische) Armee in italien zu schwächen, schöne entente cordiale,
an der ich in olims Zeiten so sehr gearbeitet habe. Batthyány bedauerte
wieder sehr (wie ich an den ungarn überhaupt meine besten verbündeten
habe), daß ich nicht minister sey, ich würde wenigstens eine offene ehrliche
Politik befolgen.
erzherzog franz carl und namentlich seine frau sind ganz depopulari-
sirt, er kann kaum mehr zur regierung gelangen. erzherzog franz Joseph
ist unser rettungsanker und muß nun nach Wien kommen, denn der kai-
ser, den man trotz Allem noch immer sehr liebt, wird nicht dazu zu bewegen
seyn, man hat alle Einflüsse auf ihn angewendet, so daß er jetzt Krämpfe
bekömmt, wenn man ihm von Wien spricht. franz Joseph wird im August
18 Jahre alt, und da muß er die regierung antreten, vielleicht als kaiser,
und die andern müssen abdanken, thut er es nicht bald, so wird auch er
unmöglich, es spricht schon jetzt eine Parthey von erzherzog Johann und
seiner (bürgerlichen) Branche als kaiser!1 da hätten wir dann eine dyna-
stische revolution zu gunsten der jüngeren Branche wie in frankreich.
ich aber habe grund zu vermuthen, daß erzherzog Johann hauptsächlich
deßhalb seine Wahl nach frankfurt so schnell annahm, weil er im hinter-
grunde für sich und seinen sohn die deutsche kaiserkrone erblickte, da
könnte er sich täuschen, n’importe.
ein colossaler fackelzug, der uns gebracht wurde und von 11 bis 2 uhr
nachts währte, war das nonplusultra von taktlosigkeit, ungeschmack und
unverstand, so daß ich mich dessen wirklich schämte. Weiber, soldaten
mit geschwungenen säbeln, kleine bekränzte schulmädchen, volk, natio-
nalgarde, Alles bunt durcheinander etc. uns gegenüber wurde bald blaues,
bald grünes, rothes etc. feuer angezündet, und jedesmal erhob sich don-
nerndes hurrah und hoch (ganz wie kinder oder Wilde) mit Aneinander-
schlagen der säbel etc. aus enthusiasmus über dieses bengalische feuer.
dazwischen die dummsten reden, der eine ließ die linke der nationalver-
sammlung leben, worauf raveaux (der ein edler prächtiger kerl ist) sehr
würdevoll erwiederte, es gebe hier weder rechte noch linke, ein andermal
radotirte goldmark über das gesetz wegen der centralgewalt etc., kurz es
war ein ekelhaftes Zeug.
eine deputation der universität hatte gleich am ersten tage Jucho und
ravaux als mitglieder der linken auf die Aula eingeladen, welche taktlo-
sigkeit heckscher ihr in sehr starken Ausdrücken verwies, sie verbesserten
sich, indem sie uns dann Alle in corpore einluden, ich fand es aber unan-
1 erzherzog Johann war seit 1829 mit Anna Plochl, seit 1834 freiin v. Brandhofen, verhei-
ratet. sie wurde gemeinsam mit dem 1839 geborenen sohn franz 1844 in den grafenstand
mit dem Prädikat „von meran“ erhoben.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume II
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- II
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 716
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien