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August 1848
cowley hieher geschickt hat. schmerling, der bisher in allen diesen poli-
tischen fragen wie ein Blinder herumtappte, ohne Wessenberg, der doch
schon seit einigen tagen hier ist, auch nur je zu fragen, hat durch sein neu-
liches schwadronniren auf der tribüne viel verdorben,1 ich bin für frieden,
aus vielen gründen, namentlich aber wegen england, welches wir in italien
eben jetzt sehr gut gebrauchen könnten. radetzky ist in vollem siegesrau-
sche, er hat carlo Albertos Waffenstillstandspropositionen, wodurch er alles
land bis zum oglio erhalten hätte, zurückgewiesen und die Adda begehrt,
Wessenberg hat ihm aber heute geschrieben, es anzunehmen, wir müssen
auch da frieden machen und uns mit dem mincio oder vielleicht gar mit
der etsch begnügen.2 ich will am montag den Antrag stellen, daß die cen-
tralgewalt aufgefordert werde, auf dieser Basis den frieden in italien zu
vermitteln, ich habe das mit Wessenberg abgeredet und auf morgen eine
Besprechung bey mir veranstaltet, der Augenblick ist günstig. die fran-
zosen werden hoffentlich, wenn wir sie nicht zwingen, nicht einschreiten,
denn sie fangen an es einzusehen, daß sie ein starkes oesterreich brauchen,
um den übergriffen rußlands an der donau zu wehren, der einmarsch der
russen in Bukarest hat ihnen wohl die Augen geöffnet,3 übrigens haben die
mailänder, wie man sagt, frankreichs hülfe angerufen, carl Albert gewiß
nicht, denn er weiß es sehr wohl, daß im gefolge der franzosen die repu-
blik marschiert. hannover boudirt noch immer die centralgewalt, und der
kleine herzog von Braunschweig fängt auch schon an, doch wird sich das
Alles legen. Preußen lenkt ein, jedoch will mir die ernennung camphausens
zum Bevollmächtigten noch immer nicht gefallen, er bringt einen ganzen
schweif leute mit, sollte das ein noyau d’opposition werden? heute sah ich
zu meiner großen freude Auguste lerchenfeld, sie geht nach creuznach.
[frankfurt] 7. August Abends
ich hatte diese tage ein paar unterredungen mit leiningen, seine An-
sichten stimmen mit den meinen ganz überein, frieden in schleswig und
1 gemeint ist Anton v. schmerlings rede am 31.7.1848, in der er den Abbruch der Waffen-
stillstandsverhandlungen mit dänemark begründete. man hätte alles versucht, um den
frieden zu ermöglichen, es könne aber nicht so weit gehen, dass „die ehre und die unab-
hängigkeit deutschlands in irgend einer Weise gefährdet werde.“ vor allem hätte nicht
zugestanden werden können, dass Dänemark die Kompetenz der Zentralgewalt zur Ratifi-
kation des vertrags bestreite.
2 ein Waffenstillstand in italien wurde am 9.8.1848 unterzeichnet, nachdem die österrei-
chischen truppen am 6. August mailand eingenommen hatten. die sardinisch-piemontesi-
schen truppen zogen sich hinter die ursprüngliche grenze zurück.
3 Zur unterdrückung der revolution besetzte russland als schutzmacht dieser dem osmani-
schen reich unterstehenden gebiete die fürstentümer moldau und Walachei.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume II
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- II
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 716
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien