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12 Tagebücher
leider sah ich Brugsch nur dieses eine mahl, da er weder an jenem tage
noch gestern zu tische kommen konnte, er ist nämlich jetzt außer seinen
gelehrten Arbeiten auch noch mit seinem landsmanne malzahn beschäf-
tigt, welcher sich mit seinem dragoman und gebiether völlig entzweyt, sein
schiff verlassen und bey Brugsch seine Wohnung aufgeschlagen hat, zudem
krank geworden ist und die Beylegung dieser unangenehmen geschichte
Brugsch überlassen hat, der sich seines landsmannes sehr freundschaft-
lich anzunehmen scheint. Wahrscheinlich scheute sich malzahn, mir unter
die Augen zu kommen, er hat sich in dieser ganzen sache mit großer uner-
fahrenheit benommen.
Bisher bilden wir wirklich noch eine seltene und sehr erwünschte Aus-
nahme, von beynahe jedem Boote mit europäischen reisenden, besonders
aber von solchen, die sich in die hände malthesischer dragomans gaben,
hört man nichts als klagen, Zank und streit, während wir bis jetzt auf das
Beste ausgekommen sind, einen guten theil des verdienstes schreibe ich
mir zu, ich habe in meinem alleinigen nahmen das Boot gemiethet, und
so erscheine und bin ich sowohl der mannschaft als den dienern (welche
ich ebenfalls alle drey aufgenommen habe) gegenüber als der herr, führe
demnach das regiment. Alles kömmt darauf an, den leuten gegenüber sich
in respekt zu setzen, daher sich nicht, wie die meisten thun, familiär zu
machen, ohne deßhalb barsch oder hart zu seyn. strenge und ernst sind
nothwendig.
vorgestern Abends hatten wir auf dem Boote des m. kennard eine tanz-
unterhaltung der Almeh’s oder gouarih, sie waren ziemlich häßlich, tanz-
ten jedoch recht gut und nachher bey verschlossenen thüren den Bienen-
tanz, wobey sie sich mutternackt ausziehen unter spiel und sang. die reis
und leute betrachten es als eine üble vorbedeutung, wenn dergleichen auf
ihrem schiffe geschieht, und wehren sich dagegen, ich bin daher froh, es
auf einem fremden Boote gesehen zu haben, auf dem meinigen hätte ich es
nicht zugegeben. diese Weiber saufen rum trotz einer englischen hure.
gestern früh nach dem frühstücke ritten wir nach karnak, es muß die-
ses eine Art von götter- oder tempelstadt des alten theben gewesen seyn,
denn dicht aneinander liegen auf einem raume von ein paar englischen
meilen tempel und Paläste, die imposantesten grandiosesten ruinen, wel-
che ich je irgendwo gesehen, aber auch ein gräuel der verwüstung (theils
durch menschen, theils erdbeben, von denen das letzte erst vor 15–16 Jah-
ren statt fand), von denen man sich keinen Begriff machen kann, ohne es
gesehen zu haben. es war dieses das erste dieser gattung in Aegypten,
welches meiner erwartung volkommen entsprach, ja sie sogar übertraf.
Avenueen von Sphinxen, Kolosse, Tempelhöfe, magnifique Portale und Tri-
umphbögen, obelisken, von denen nur 2 noch stehen, einzelne säulen und
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien