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32 Tagebücher
auch so ziemlich Alles gethan, und wir kamen nach einer etwa 1 1/2 stündi-
gen fahrt nach Assuan.
Als wir noch beym frühstücke saßen, kam mein freund hadji mansur, um
mich zu besuchen. Abul Ainin, der österreichische Agent, war abermals ab-
wesend, so daß ich auf die ehre seiner Bekanntschaft verzichten mußte. Wir
machten gegenseitig eine menge Phrasen, ich dankte ihm für seine dienste
von neulich, u.a. für den vortrefflichen Piloten, den er mir gegeben hatte etc.
nach einer ziemlich langen conversation machte ich mich auf und ging
mit ihm und mohammed zu dem director des Zollamtes, einem schäbigen
alten türken in europäischer kleidung, den ich unter der thür seines hau-
ses fand, er hatte, wie mir mansur erzählte, ein Paket Briefe für einen
durchreisenden europäer erhalten, und da wollte ich der sicherheit halber
nachsehen, ob es vielleicht meine Briefe wären? da dieß nicht der fall war,
führte mich mansur in der stadt, den Bazaars etc. herum und dann in sei-
nen garten, eine Art kornfeld mit feigen-, datteln-, granaten- und einem
Pfirsichbaume, und endlich in sein sehr schmuck und zierlich aussehendes
haus, wo er mich in einem kühlen hofe, welcher als salon dient, mit Pfeife
und Zuckerwasser bewirthete. er ist ein reicher mann und treibt großen
handel nach dem süden. gummi ist der hauptgegenstand, er kostet in
kordofan 25–30 Piaster per cantar,1 nach Assuan gestellt 150 – ! – und
geht nach cairo und europa, als Bezahlung dient vornehmlich baares geld
und auch manufacturen (Baumwollstoffe, glasperlen etc.) aus europa. Als
ich in diese richtung mehrere fragen stellte, fragte mansur, ob ich viel-
leicht geschäfte machen wolle? und erboth sich, mir dienste zu leisten,
worauf ich abbrach. ein orientale begreift nicht, daß man an etwas inter-
esse nehmen könne, was nicht den Beutel füllt.
Assuan ist ein hauptverbannungsort, schon seit Juvenal, vor ein paar
tagen war ein Bey, gewesener gouverneur im delta, unter eskorte hieher
geschickt worden. diese verbannten führen übrigens ein ganz freyes leben
und sind lediglich an den Aufenthalt gebunden.
der oberrichter für Aegypten, cadi el islam, wird von constantinopel er-
nannt und gesendet. die untercadis in Assuan, esné, siut, etc. müssen ihm
dann jährlich, um ihre Bestallung erneuert zu haben, eine gewisse summe,
5–10.000 Piaster, bezahlen. die einkünfte des cadis bestehen per fas aus
bestimmten sporteln: 4% von erbschaften, 2 1/2% von Prozessen etc.
nachmittags fuhren wir nach der insel elephantine hinüber, wo nebst
einer masse schutt und trümmer einige unbedeutende ruinen, ein alter
zerstörter nilometer aus der römerzeit und ein paar zertrümmerte sta-
tuen zu sehen sind.
1 kantar – türkische gewichtseinheit, ca. 56 kg.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien