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34 Tagebücher
sais und den Pyramiden bis theben, gebaut wurde. man sieht die enormen
steinbrüche vom flusse aus und hie und da ungeheuere steinmassen wie
mit dem rasirmesser mitten aus dem felsen geschnitten, und alles dieß
ohne Pulver und, wie man behauptet, ohne eisen! das Bett des stromes
verengert sich hier zu beyden seiten, und das ganze sieht aus wie ein fel-
senpaß.
herodot erzählt, daß zum landtransporte eines Blockes von hier nach
sais 2000 menschen 3 Jahre lang verwendet wurden.
nach tische gingen wir mit fackeln ans land und besichtigten eine in
den felsen gehauene große kammer oder kleinen tempel (wie man es nen-
nen will) aus der ältesten ägyptischen Zeit. die felsblöcke haben hier zu-
weilen sehr bizarre formen.
Als wir wieder an Bord kamen, war mittlerweilen der reis angelangt, in
dessen familie ein todesfall eingetreten war, welcher sein langes Ausblei-
ben verursacht hatte. Wir fuhren sonach weiter und waren diesen morgen
in edfú, dem alten Apollinopolis magna.
hier ist einer der größten, schönsten und jedenfalls der am besten erhal-
tene tempel in Aegypten. die 2 Pyramidalthürme am eingange, das thor
dazwischen, der große vorhof mit der colonnade rund herum, dann die dar-
auf folgende säulenhalle stehen alle noch, wenn auch die einzelnen säulen
sehr beschädigt sind und das ganze in sand und schutt halb vergraben ist,
ebenso steht die umfassungsmauer von Quadern, welche den raum des
eigentlichen tempels bezeichnet, welcher auf jene säulenhalle folgte, in
diesem raum selbst aber sind soviele häuser und hütten von Backsteinen,
lehm etc., zum großen theile selbst schon wieder zu ruinen geworden, hin-
eingebaut, daß nichts mehr zu erkennen ist. dieser prachtvolle Bau datirt
aus der ersten Ptolemäer Zeit.
gegen 1 uhr waren wir in el kab, dem alten eilythias, eine bedeutende
stadt zur römerzeit, wie man noch jetzt aus der großen Ausdehnung der
trümmer, schutthaufen und namentlich der stadtmauern, welche letztere
noch ziemlich erhalten sind, die aber sämmtlich (wie fast alle römerbauten
hierzulande) aus ungebrannten Backsteinen sind, sehen kann. über diese,
und an einigen unbedeutenden ägyptischen tempelresten vorüber, gingen
wir über eine weite brennende sandebene nach den grotten und gräbern
im gebirge, eine kleine halbe stunde weit, und sahen da ein paar interes-
sante grotten, namentlich eine, welche das grab eines reichen grundbesit-
zers gewesen zu seyn scheint, da die sehr wohlerhaltenen mahlereyen an
den Wänden alle Arten des feldbaues, Jagd, fischerey etc. vorstellten.
in einiger entfernung von el kab gibt es 3–4 kleine tempel, die ich aber
nicht sah. Wir haben heute schwachen nordwind und hoffen, diese nacht
in esneh und morgen nachmittag in theben zu seyn.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien