Page - 35 - in „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“ - Tagebücher 1839–1858, Volume III
Image of the Page - 35 -
Text of the Page - 35 -
352.
Februar 1854
[am nil vor luxor] 2. februar
Am 29. spät am Abende kamen wir an esné vorüber, des andern morgens
wurde der Wind so heftig, und das Boot rollte so stark, daß wir gegen 9 uhr
genöthigt waren, in der nähe von Asfun anzulegen, dort blieben wir den
ganzen tag, welcher stürmisch und kalt war, liegen. gegen 8 uhr Abends,
als der Wind nachließ, fuhren wir ab und waren vorgestern den 31. vor
sonnenaufgang in luxor. es waren eine menge Boote, 15 circa, englische,
amerikanische und französische, da, unter andern kennard, seine freunde
Wilmot und stephens, ein cousin und nahmensvetter fletchers und 2 sei-
ner freunde in den coldstreamguards, Bouverie und tower, junge elegants
aus London in einem magnifiquen Boote.
Brugsch war leider nicht mehr da, er war vor ein paar tagen mit mal-
zahn (dessen Angelegenheit noch immer nicht beygelegt ist) nach cairo
zurück gegangen. man sprach viel von einem Zusammenstoße eines ameri-
kanischen Bootes mit einer stromabwärts fahrenden arabischen Barke, in
folge dessen mehrere leute dieser letzteren verunglückten, der reis jenes
Bootes wurde hier festgenommen und dürfte zu lebenslänglichem gefäng-
nisse verurtheilt werden. ein Boot mit 2 männlichen und einem weiblichen
Sträflinge (letztere eine Kupplerinn), die nach Assuan exilirt sind, ankerte
dicht hinter uns. Den vorgestrigen Tag verbrachte ich mit flaniren in den
ruinen von luxor und karnak, es ist eine wahre erholung, einmahl des
ewigen gefolges von dragomanen, führern, Buben, eseltreibern etc. über-
hoben zu seyn. karnak, wohin ich mit freeman zu fuße ging, genoß ich
dieses zweyte mahl viel besser als das erste. es ist ohne Zweifel das stupen-
deste Bauwerk, das man sich denken kann, und muß, als es noch mit allen
seinen Pallästen, tempeln, squares, dromos etc. da stand, ohne gleichen
in der Welt gewesen seyn. in luxor kam mir der englische Agent, musta-
pha Aga, in den Wurf, er nöthigte mich nach seinem hause und gab mir da
etwas für mich sehr Werthvolles, nämlich die letzte nummer von galigna-
nis messenger, freylich war sie vom 14. december.
nach dem, was ich gehört und gelesen, steht die türkische frage so ziem-
lich dort, wo sie vor 3 monaten stand. oesterreich, frankreich und england
haben abermalige vermittelungsvorschläge gemacht, und die Pforte hatte
sie angenommen, man wartete nun auf die erklärung rußlands. dieses
richtet sich und seine Administration mittlerweilen ganz gemächlich in den
fürstenthümern ein. Palmerston war mitte december ausgetreten, weil
das cabinet darauf bestand, eine neuerliche Parlamentsreformbill dem
Parlamente vorzuschlagen (als ob die von 1832 nicht übergenug wäre!),
sollte aber nach den letzten nachrichten wieder eintreten.
fletcher senior speiste vorgestern bey uns, gestern fuhren wir mit ihm
ans andere ufer hinüber und ritten sodann nach den königsgräbern, es
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien