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38 Tagebücher
gegriffen, und [war] letztlich davongelaufen. nun mußte ich ernst machen
und befahl mohammed, jenen mann auf der stelle zu entlassen, was auch
trotz aller Bitten und fürbitten des reis etc. geschah. der copte erklärte
sich für befriedigt, l’un vaut l’autre, und verkaufte uns eine menge schofel
für theures geld.
um 10 uhr Abends fuhren wir ab und waren gestern gegen mittag in
kenneh, ich ging gleich zum österreichischen Agenten und nahm dort
meine Briefe in empfang. freeman und die beyden fletcher kamen später
nach. [isa] Abdallah gab mir einen empfehlungsbrief an seine familie nach
Bethlehem und bath mich, ihm einen Protectionsbrief vom österreichischen
consulate zu erwirken, um dasselbe ersuchte mich ein da anwesender ka-
tholischer Priester (copte) aus negadeh.
es gibt in kenneh, negadeh, coos, coptos etc. circa 200 katholiken, d.h.
katholisch gewordene copten. die unirung dieser datirt von circa 200 Jah-
ren her und nimmt zu, sie haben einen Patriarchen (jetzt theodoros) in
cairo und stehen unter österreichischem schutze,1 in negadeh sind 4 Prie-
ster, diese können, wenn sie es schon zur Zeit ihrer Weihe waren, verheira-
thet bleiben.
merkwürdig ist es jedenfalls, wie sehr das christenthum in diesen län-
dern an terrain verloren hat. ganz Aegypten und nubien waren vor 1000,
nubien noch bis vor 300 Jahren christlich.
ich ging nachher mit freeman eine gullel-fabrik ansehen.
um 5 uhr, da beyde fletcher nach dendera gegangen waren, fuhren wir
ab und sind jetzt etwa halbwegs nach girgeh.
meine Briefe aus der heimath enthalten wenig neues, immer die alten
geschichten, eigentlich sollte man sich alle Briefe verbitten, besonders in
dieser Zeit und aus meinem vaterlande, sie regen nur auf und unterbrechen
die wohlthätige ruhe des orientes. man glaubt an frieden, in constanti-
nopel versuchte die kriegspartey einen Aufstand, der mit hülfe der beyden
flotten unterdrückt wurde, der kaiser war um Weihnachten in münchen,
meine nachrichten reichen übrigens nur bis zum 6. Jänner. gabrielle war
fortwährend in ofen.
[am nil nördlich von tahta] 6. februar
Wir haben beynahe fortwährend conträren Wind, gestern morgens waren
wir in girgeh. vormittags hielten wir einige Zeit an einem dorfe an, wo
eben ein ziemlich belebter markt war. gegen sonnenuntergang waren wir
1 diese Angaben Andrians sind unklar. die koptisch-katholische kirche wurde von einem
apostolischen vikar geleitet (1832–1855 Abou karim), zur errichtung eines Patriarchats
kam es erst 1895.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien