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lich ihren eigenen etablissements, z.B. der Peninsular & oriental com-
pany möglichst zum nachtheile des lloyd das Wort reden. dasselbe ist hier
in cairo der fall, wo doch ein eigener Agent so nothwendig wäre. Auch
darüber muß ich in constantinopel mit Bruck reden.
die europäer dürfen hier kein grundeigenthum besitzen, ausgenommen
sind hier geborne, sogenannte levantiner. eingeborne, namentlich copten,
bekommen von der regierung nie die erlaubniß, nach europa zu reisen,
copten dürfen höchstens nach Jerusalem gehen.
[cairo] 25. februar
morgen reise ich, allein, über suez nach Jerusalem, wie es anfänglich mein
Plan war, ich hatte einen Augenblick die Absicht, mich nach einem oder
zwey reisegefährten umzusehen, fand aber niemanden, der mir taugte,
und ich verspreche mir vergnügen und comfort davon, allein zu seyn,
nachdem ich nun monathe lang unter einem schwarme von engländern
gelebt habe, wovon der eine unbedeutender als der Andere war. diese eng-
länder sind überhaupt mit wenigen Ausnahmen dutzendarbeit, brauchen
keine nahmen sondern bloß nummern, so gleich sind sie einer dem andern,
und alle unbedeutend und mittelmäßig.
diese reise, so allein, kömmt mich etwas hoch. mohammed ist über-
haupt ein theuerer Patron, er hat alle möglichen guten eigenschaften und
nur eine üble: die, unausstehlich zu seyn. Anfangs hieß es (nämlich mo-
hammed und der Beduinenshekh, welcher die kamehle lieferte, sagten so),
die straße von suez nach el Arisch, welche wenigstens von reisenden we-
nig besucht scheint, sey unsicher, das scheint aber eine fiction gewesen
zu seyn, um mich von dem vorhaben abzubringen, suez zu besuchen. da
ich aber darauf bestand, so ist die straße nun vollkommen sicher, und der
shekh garantirt contractmäßig dafür. ich brauche 4 kamehle und hoffe, in
17–18 tagen in Jerusalem zu seyn. ich habe in diesen tagen viel theils mit
den Arrangements (obwol mohammed dießmal für eine bestimmte summe
kamehle, Provisionen, Zelt, Bett, kurz Alles zu liefern hat) und mit Brief-
schreiben zu thun gehabt. meine Papageyen für flore habe ich champion
übergeben, der sie nach triest expediren wird. meine effecten schicke ich
nach smyrna voraus und reise mit einem mantelsack durch die Wüste, si
les Bédouins me volent, ce seront eux qui seront volés, übrigens habe ich
hier einen vortrefflichen Revolver von Colt in NewYork gekauft, so daß ich
mit meinem Wiener revolver und zwey gewehren 15 läufe zu meiner dis-
position habe. diese revolver (nicht weniger als 3 kisten voll) sind von
einem Amerikaner captain carr hier gelassen worden, der hieher kam, um
als Volontär den Krieg mitzumachen und dabey zugleich ein kleines Profit-
chen durch diesen verkauf zu realisiren. hier aber entschloß er sich in Zeit
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien