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56 Tagebücher
viele trafen, nebstdem aber auch die einzigen fuhrleute und spediteurs in
der Wüste, daher, wenn man sich einmahl mit ihnen abgefunden hat, an
der sicherheit ihres respectiven territoriums am meisten interessirt, daher
jeder stamm eifersüchtig auf der unverletzlichkeit seines gebiets besteht.
doch gibt es, wo eine route mehrere solche gebiete berührt, coalitionen
unter ihnen. einer der ansehnlichsten und zugleich honettesten stämme
sollen die tanaras seyn, die um den sinai herum wohnen, ich begegnete
einigen ihrer sheks auf superben dromedarien [sic] und wohlbewaffnet in
der nähe von suez.
Am 7. vormittags kam ich bey katieh, wo ein Brunnen und mitten in
der Wüste ein dattelwald ist, auf die darb sultani, von da an bis el Arisch
wurden die sträucher und gräser, die aus dem sande spriesten, immer
dichter, so daß die Wüste oft ganz grün aussah wie eine hutweide, daher es
langsam vorwärts ging, da die kamehle in einem fort weideten und nur mit
großer mühe abzuhalten war[en], jeden Augenblick stille zu stehen, woran
sie natürlich meine Araber, welche eine wahre Affenliebe für ihre thiere
haben, nicht hinderten. Die Salzbrunnen und Salzebenen fingen hier, da
wir in der nähe des meeres angekommen waren (ohne es jedoch mehr als
ein oder 2mal auf einen Augenblick zu sehen), an häufig zu werden. Von
jagdbarem Wild sah ich auf der ganzen reise nur ein paar gazellen und
auch diese nie auf schußweite.
Wir wanderten dann in dieser sogenannten kleinen Wüste ein paar tage
fort, das Wetter wurde schlechter, beynahe jeden tag regnete es mehrmals
und heftig und stürmte dabey heftig, alle meine effecten waren ebenso
durchnäßt wie ich selbst und mein Bett, welches am tage über mein ka-
mehl gelegt wurde, und des nachts regnete es mehr als einmahl in mein
ohnehin schon nasses Bett hinein. Alles dieses machte meine reise sehr un-
bequem, und ich wartete mit ungeduld darauf, nach elArisch an das ende
der Wüste zu kommen. Abends kamen gewöhnlich ein oder zwey in der
nähe weilende Beduinenhirten zu uns, um mit meinen leuten zu conver-
siren, u.a. am letzten tage zwey ganz malerisch schöne knaben von 14–15
Jahren, welche noch nie einen europäer gesehen hatten, ich werde diese
magnifiquen Gestalten lange nicht vergessen, diese Leute leben Jahrelang
in der Wüste ganz allein, nähren sich von milch und bekommen als lohn
jährlich ein kamehlfüllen.
Am 9. um 3 uhr nachmittag kamen wir endlich nach elArisch, in dessen
nächster nähe die allmählich immer grüner werdende Wüste noch einmahl
einen ganz anderen character annimmt, d.h. hohe hügel von weißem sand
wie dünen, ohne eine spur von vegetation. elArisch selbst, eine weiße
steinmasse inmitten dieses sandmeeres, nimmt sich ganz frappant aus,
une scène de solitude et de désolation.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien