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März 1854
in elArisch angekommen, wurde ich in dem hause meines sheiks, recte
einem stalle im hofe, einquartirt, welches mir aber nach den mühseligkei-
ten der letzten tage wie ein Pallast vorkam. Bald erschienen ein paar re-
gierungsbeamte, welche hier als der letzten ägyptischen stadt meinen Paß
visirten etc. Alles dieß nach einer halbstündigen ceremoniellen visite, da
die orientalische Höflichkeit es nicht erlaubt, gleich mit dem Zwecke seines
Besuches herauszurücken. damit ja recht viel Zeit unnütz verloren werde.
das große ereigniß, welches allenthalben besprochen wurde, war die
Aufhebung der Quarantaine, welche aber von ägyptischer seite, bis zu dem
Augenblicke meiner Anwesenheit in el Arisch wenigstens, noch immer
nicht verfügt war. Abbas Pascha wittert auch hier neuerung und europä-
ischen Einfluß.
Nachdem ich mit wiederholten officiellen Besuchen beehrt worden war
und meine erkenntlichkeit in tabak, caffeh und Piastern ausgedrückt
hatte, zog ich am 10. früh weiter.
es ist interessant, wie von da an die Wüste allmälig in kultivirtes land
übergeht. Anfangs immer dichter bewachsene hutweide, dann Bäume
und gräser, hie und da bebaute felder (welche von den Bewohnern von el
Arisch etc. auf tagereisen weit angebaut und sodann den Beduinen gegen
die hälfte des ertrages zur Bewachung übergeben werden), immer jedoch
noch sandboden, bis endlich auch dieser verschwindet. Auch sieht man
wieder vögel aller Art und überhaupt thiere aller gattungen, in der Wüste
hatte ich vielleicht nicht ein halb dutzend vögel gesehen und überhaupt
keine anderen lebenden Wesen als jene schon genannten heerden, dann
eine masse colossaler Ameisen, eidechsen, schnecken und hie und da ei-
nige schildkröten.
die gränze zwischen Aegypten und syrien, Africa und Asien bildet ein
Beduinenfriedhof, sheikh Zuail genannt, in dessen nähe in einer herrli-
chen gegend ich übernachtete. hier und später sah ich, in der ersten hälfte
märz, bereits beynahe gelbe kornähren! kamehle sah ich hier öfters im
Pfluge.
meine leute nahmen von der geweihten erde im shekh Zuail einige
handvoll erde und bestreuten damit die kamehle, um sie vor unfällen zu
bewahren, ein rührender Aberglaube.
Am 11. früh kamen wir an mehreren in ihren braunen gezelten lagern-
den Beduinenstämmen vorüber, mußten auch ein paarmahl, wie auch schon
einmal unmittelbar vor El Arisch, einen fixen Tribut von 3 oder 4 Piaster
(für jeden europäer) entrichten, dießmal mußte einmahl mehr als gewöhn-
lich tribut entrichtet werden, indem eine Beduinenpatrouille uns einen sol-
chen aus dem grunde abforderte, daß nun die Quarantäne aufgehoben sey,
daher die franken anstatt dessen nun tribut zahlen müßten. mohammed,
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien