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März 1854
endeten griechischen kloster s. elias vorüber, dessen Ausbau von den
türken gehindert wird, und später an dem grabe der rachel, nach circa
1 1/2 stunden waren wir in Bethlehem und stiegen an der kirche ab, die
franziskaner des klosters, welche von unserer Ankunft unterrichtet wa-
ren, tractirten uns nach kräften und führten mich dann in die kirche,
deren größter theil zur selben Zeit und in derselben Art wie in Jerusa-
lem von den griechen usurpirt worden ist, die unterirdische kapelle mit
3 Altären, der eine auf der stelle der geburt Jesu, der Andere dort wo die
krippe stand, der dritte wo die magier anbetheten, gehört zum größeren
theile ihnen, unter dieser capelle liegen mehrere grotten, in denen der
heilige hieronymus lebte und starb. im garten des katholischen klosters
steht ein citronenbaum, welcher ungenießbare früchte trägt und angeb-
lich von ihm gepflanzt wurde, ein paar hundert Schritte von der Kirche ist
die grotte der säugung, ganz in den felsen gehauen und unterirdisch, wo
die heilige Jungfrau Jesum säugte, es ist ein Altar darin, und die grotte
wird von christen und türken stark besucht. noch sah ich in der kirche
die grabstätte der unschuldigen kindlein, von der terrasse sieht man das
todte meer, den Berg engadi, Begalla,1 den frankenberg, aus den kreuz-
zügen berühmt, etc.
ich ließ mir den Padre Abdallah kommen, an den ich von seinem vetter
in kenneh einen Brief hatte, es ist der erste arabische Priester, den ich sah,
in rom erzogen, Weltgeistlicher, Anhänger des Patriarchen und daher mit
den franziskanern à couteau tiré. die franzosen scheinen hier in Allem,
was sie unternehmen, zu scheitern und weder Einfluß noch Ansehen, noch
Anhänger zu besitzen, das ist ungefähr überall so mit ihnen der fall, on
les bafoue partout. hier ist das um so auffallender, als sie mit ungemes-
senen Ansprüchen als ausschließliche Protektoraten auftreten, welches
sie zu nichts Anderm anwenden, als Alles, was von seiten einer anderen
macht für den cultus, gottesdienst, religiöse Anstalten etc. gethan werden
möchte, zu hintertreiben, selbst aber gar nichts dafür zu thun. daran z.B.
scheiterte der umbau des scandalosen franziskanerhospizes in der grab-
kirche und der Ankauf der türkischen Wohnungen und ställe auf und an
dieser kirche, dinge, wozu von österreichischer seite das geld vorhanden
war, traktatenmäßig zwar, wie zu jeder innovation, die Bewilligung der
Pforte nothwendig war, welche jedoch ohne Zweifel erlangt worden wäre,
hätten nicht die franzosen in der eifersucht gegen oesterreich dagegen
intriguirt, tout ceci est bien misèrable, und so geht es in Allem.
mit dem kloster in Bethlehem ist eine schule verbunden. 1 1/2 stunden
von da ist s. Johann und die Wüste, in der er predigte. in Bethlehem wer-
1 Berg engeddi und Beth Jalla, Bedgalla, Bet dschalla bei Bethlehem.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien