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74 Tagebücher
schulz spielte die cither, dieses scheußlichgemüthliche österreichische in-
strument, übrigens ganz außerordentlich gut.
Am 31. um 10 uhr vormittags ritt ich mit meinem (ziemlich langweili-
gen) Amerikaner von dannen, die ersten stunden ritten wir in gesellschaft
eines m. tobin, eines irländers, den ich in cairo sah, und seinen 2 damen,
wovon eine die tochter des colonel chesney ist, dann ließen wir sie zu-
rück. Anfangs ging es etwa 1 stunde lang durch eine ebene mit fichten-
wäldern (? pines1) und türkischen caffehhäusern, dann mehrere stunden
steil bergan auf unwegsamen saumpfaden, gegen welche selbst die straße
vor ramle eine gute ist, aber herrlich, pittoresk über alle Beschreibung, im
Zickzack den libanon hinauf, alle fünfzig schritt ein neues thal, eine neue
landschaft, dabey aber immer Beyrut und das meer im hintergrunde. das
dauerte etwa 3–4 stunden, dann verloren wir beydes aus dem gesichte.
die gegend wurde steinig und rauh, thalschluchten, Bergebenen, kahle
felsen und gerölle, hie und da ein khan,2 in dem die drusen Wache halten.
Wir hatten unsere leute vorausgeschickt, fanden daher am oder eigentlich
auf dem dache des khan medera unser Zelt bereits aufgeschlagen, als wir
gegen Abend dort ankamen. essen, Zelt, Betten, teppiche etc., Alles war
recht confortable und bedeutend besser als in der Wüste mit dem alten
geizhals mohammed.
Von hier aber fingen unsere Leiden an. Schon in dieser Nacht begann
es zu regnen, wir halfen uns aber noch dadurch, daß wir die Betten in die
mitte des Zeltes schieben ließen, am morgen aber war es schwarz, dichter
nebel, regen, nachdem wir einige Zeit im khan bey einem kleinen feuer
uns gewärmt und gewartet hatten (in gesellschaft von ein paar sehr male-
risch aussehenden, intelligenten drusen), ritten wir im strömenden regen
fort, fanden am Wege noch viele schneemassen, der Weg selbst war ebenso
unglaublich schlecht wie gestern und nur für maulthiere oder arabische
Pferde zugänglich, ein dichter schwarzer nebel hing über der grandiosen
gebirgslandschaft, kurz das ganze erinnerte mich lebhaft an meinen über-
gang über die grimsel im August 1851. Wir ritten nun schon das gebirge
herab, in das schöne thal (coelesyrien), welches zwischen libanon und An-
tilibanon liegt, und kamen nach 2 1/2 stündigem reiten in einen khan am
fuße des gebirges, wo wir etwa eine stunde auf unsere Bagage warteten,
dieses thal war übrigens durch den vielen regen und schnee durchweicht,
die Wege von koth und Wasser so grundlos, daß wir auch hier nur schritt
reiten konnten, oft war der ganze Weg bedeutende strecken lang unter
Wasser, so durchritten wir das thal, umritten eine hügelreihe, welche
1 kiefern, nicht fichten.
2 khan, han – gasthof, karawanserei, raststation, in städten auch kaufhaus.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien