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April 1854
Beyrut 9. April
Am 4. Abends ging ich zu m. Wood und fand den jungen emir der metualis,
emir hamed, sammt einem sheikh dieses stammes bey ihm, er präsentirte
mir ihn als prince de Baalbek und erzählte mir nach seinem Weggehen, er
sey sammt seiner familie durch ibrahim Pascha seiner erblichen Würde
entsetzt worden (wie es die ägyptische regierung überhaupt mit allen die-
sen feudalchefs in syrien machte), dann nach 1841 durch die Pforte wieder
bestätigt worden, seitdem aber oftmals in offener empörung gegen sie ge-
wesen, viele glieder seiner familie seyen gefangen, verbannt, hingerichtet
etc. worden, ihn selbst habe die Pforte so eben durch seine, Woods, ver-
mittlung mit einer Art commandantschaft in seinem Bezirke bekleidet. die
metualis sind mahometaner und wohnen um Baalbek.
überhaupt scheint m. Wood, wie aus seinen reden hervorging und mir
auch sonst bestätigt wurde, in Syrien einen sehr überwiegenden Einfluß
zu haben und wird von seiner regierung darin lebhaft unterstützt, ohne,
wie es scheint, vor der hand eine andere Absicht damit zu verbinden als
die, den französischen Einfluß zu balanciren, welcher hauptsächlich die
maroniten (als christen) schützt, weshalb auch die engländer vorzüglich
drusen und muselmänner unter ihren schutz genommen haben. Wir sind
hier der niemand, und ich kann nicht umhin, dieses einigermaßen der bü-
reaukratischen Persönlichkeit des herrn gödel zuzuschreiben.
nachher kamen zu m. Wood hammerschmidt und grimm, welcher letz-
tere, soviel ich weiß, der ungarischen revolution mit der feder gedient hat
und nun ebenfalls hier als refugié in diensten steht, beyde um mich zu
sehen, da ich hammerschmidt gesagt hatte, ich würde Abends zum eng-
lischen consul kommen. grimm schien mir ein weit ausgezeichneterer
mensch zu seyn als jener. durch diese unerwartete Begegnung wurde ich
wieder recht lebhaft an manches halb vergessene erinnert, quae miserrima
ipse vidi.1
gödel hatte mir nicht nur einen firman des Pascha von Beyrut, sondern
auch ein empfehlungsschreiben desselben an seinen (civil-) collegen von
damascus mitgegeben, und ich wollte diesen daher besuchen, gab aber die-
ses vorhaben auf, da ich sah, daß diese visite helias unangenehm war, wel-
cher denn doch eine sehr untergeordnete Personage ist und wahrscheinlich
auch als solche behandelt wird, wie kann man auch einen schäbigten Juden
zum gerenten des österreichischen consulates bestellen! er war übrigens
für mich von einer ungemeinen, beynahe unterwürfigen, Höflichkeit.
mittwoch den 5. früh 8 uhr ritt ich von damascus fort, das Wetter, wel-
ches während der ganzen Zeit fast immer regnerisch gewesen war, klärte
1 in der Aenaeis heißt es: quaeque ipse miserrima vidi.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien