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Tagebücher106
gelandet sind) zu kreuzen,1 mit unsern nußschalen machen wir uns also
auch noch lächerlich. die instruktionen für die commandanten sind zwar,
ja jeden Conflict mit der griechischen Regierung, mit der wir ja auf dem
besten fuße stehen (!), zu vermeiden etc., cele s’appelle ménager la chèvre
et le chou, und ist der sichere Weg, es mit Beyden zu verderben. Preu ist
zu seinem großen verdrussse wieder nach volo zurück beordert, ich hätte
ihn außerordentlich gerne begleitet, doch habe ich keine Zeit, ich muß nach
Wien, um meinen kampf auszufechten, ohnehin ist die Zeit vor der thür,
wo sich Alles zerstreut, ich aber will und muß im laufe der nächsten mona-
the eine entscheidung haben.
die tscherkessen und schamyl haben die von den russen geräumte
meeresküste in Besitz genommen, diese stehen noch immer an ihren gren-
zen und ihnen gegenüber die türken bey Batum. doch sind letztere, welche
seit monaten weder löhnung noch lebensmittel und kleidung erhalten,
schon großtentheils auseinandergelaufen, und in wenigen Wochen dürfte
kein mann mehr da seyn. guyon ist eben ein Windbeutel wie die Andern.
Die Russen haben da (Tiflis etc.) 60–70.000 Mann, die Türken hatten etwa
30.000.
ich habe eine menge sehenswerthe dinge in constantinopel nicht ge-
sehen (so z.B. die 7 thürme, die alten stadtmauern, die Wasserleitungen
und Bents, die asiatische seite des Bosphorus, die süßen Wässer von Asien
etc.), weil ich in Brucks hause wohnend von ihnen in gewisser Beziehung
abhing, eine menge Parthieen, die wir miteinander machen wollten, kamen
dann aus einer oder anderer ursache nicht zu stande etc. dagegen habe
ich wieder von einer andern seite, die mich mehr interessirt, namentlich
der politischen und socialen, mehr kennen gelernt, als wenn ich in einem
hôtel abgestiegen wäre. Was mir hier und auch schon in smyrna besonders
auffiel, war die heitere freundliche Art, in welcher die Türken ihre Begräb-
nißplätze ausschmücken, und die gewohnheit, dieselben zu spaziergängen
und Belustigungsorten zu wählen, so in smyrna die caravanenbrücke, in
constantinopel eyub, den campo grande und piccolo etc.
etwas, was ich hauptsächlich in constantinopel beabsichtigte, war, mit
Bruck über meine persönliche lage und über meine nächsten Pläne in die-
ser hinsicht zu sprechen, und dieses that ich denn auch neulich mit großer
Ausführlichkeit, nachdem ich ihm früher über alle die vielen Bitten und
1 es handelte sich um maßnahmen gegen die Aufstände gegen die türkische herrschaft mit
den Zentren in thessalien und epirus und deren unterstützung durch die Bevölkerung des
griechischen königreichs. nachdem es in Athen zu schweren antitürkischen Ausschreitun-
gen gekommen war, verlangten die Westmächte energische gegenmaßnahmen der regie-
rung, und französische Truppen besetzten am 26.5.1854 den Hafen von Piräus; vgl. dazu
eintrag v. 26.5.1854.
„Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
Tagebücher 1839–1858, Volume III
- Title
- „Österreich wird meine Stimme erkennen lernen wie die Stimme Gottes in der Wüste“
- Subtitle
- Tagebücher 1839–1858
- Volume
- III
- Author
- Viktor Franz Freiherr von Andrian-Werburg
- Editor
- Franz Adlgasser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-78612-2
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 476
- Keywords
- Viktor Andrian-Werburg (1813 - 1858), Revolution 1848, Austrian Neoabsolutism, Austria future (1842), Late Vormärz, Reform and Repression
- Category
- Biographien